Ein Wiederaufbau Syriens ist unerlässlich, damit zumindest ein Teil der 5,6 Millionen Flüchtlinge wieder zurückkehren kann.
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Selbst für den aufmerksamsten Beobachter der Entwicklungen im Nahen Osten bietet sich ein Bild heilloser Verwirrungen. Immerhin können einige Meilensteine festgehalten werden: Der "Arabische Frühling" war für die Völker in Nordafrika und der Levante eine herbe Enttäuschung. Statt demokratischer Rechtsstaaten gab es religiös motivierte Bürgerkriege und Einmischung lokaler Machtzentren. Zwar wurden die Machthaber in Tunesien, Libyen und Ägypten gestürzt, aber statt der Bildung rechtsstaatlicher Ordnungen kam es im besten Fall, nämlich in Ägypten nach dem Regime der Moslembruderschaft, wieder zu einer Militärdiktatur. Immerhin konnte eine gewisse Stabilisierung der Lage herbeigeführt werden.
Das große Krisengebiet ist jedoch Syrien. An Bashar al-Assad und seinen Alawiten sind die USA und Saudi-Arabien zwar gescheitert, doch nun scheint man hoffen zu können, dass der Bürgerkrieg ein Ende findet. Vor diesem Hintergrund sollte sich die internationale Staatengemeinschaft, wie bereits mehrfach angeregt (etwa vom früheren Nationalbank-Generaldirektor Heinz Kienzl), mit der Frage des Aufbaus Syriens befassen.
Ein Wiederaufbau des Landes ist schon deshalb unerlässlich, damit zumindest ein Teil der 5,6 Millionen ins Ausland geflüchteten Syrer wieder in die Heimat zurückkehren kann. Seriöse Schätzungen rechnen mit Kosten in der Höhe von rund 200 Milliarden Euro, die internationale Investitionsbanken aufbringen könnten, wenn die Europäische Union sie garantiert.
Für die Mitgliedstaaten der EU brachte der "Arabische Frühling" schwere Belastungen mit sich. Wie wir heute sehen, haben die Flüchtlingsströme nicht nur die Finanzen der EU-Staaten belastet, sondern auch die alten politischen Strukturen durcheinandergebracht. Das Beispiel Schweden hat neben anderen EU-Staaten gezeigt, dass vor allem sozialdemokratische und christliche Parteien die Kosten zu tragen haben und nationalistische Parteien profitieren. Christlich orientierte, aber auch sozialdemokratische Parteien sind aufgrund ihrer ideologischen Orientierungen - also christlicher Grundwerte und sozialen Gewissens - in ein Dilemma geraten.
Die Visegrád-Staaten haben sich in der europäischen Flüchtlingsfrage raffiniert zurückgehalten, aber man mag ihnen zugestehen, dass ihre politische Führung ihrer Bevölkerung die Aufnahme gewaltiger Flüchtlingsströme, wie sie in erster Linie nach Deutschland, Österreich und Schweden kamen, nicht zumuten wollte.
Gibt es in dieser breiten Gemengelage zumindest bescheidene Zeichen der Hoffnung? Gibt es etwa selbst in Syrien Oasen der Beruhigung und Befriedung, in die Hilfsgüter für die notleidende Bevölkerung gebracht werden könnten? Für ein umfassendes Hilfsprogramm, über das man langsam nachzudenken beginnen sollte, müssten alle Kräfte, insbesondere auch Russland, bemüht sein, die zerstörerischen Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu beenden. Denn die Hoffnung auf Frieden, selbst in dieser so vielfältig umkämpften Region, darf nicht aufgegeben werden.