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Neue Asylklagewelle rollt an

Von Karl Ettinger

Politik

Wegen der Prüfung von Asyl auf Zeit droht beim ohnehin überlasteten Bundesverwaltungsgericht erneut ein Ansteigen von Beschwerden. 40.000 Verfahren sind offen, 120 Planstellen wackeln, Justizminister Moser sucht Auswege.


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Wien. Es war noch die rot-schwarze Vorgänger-Bundesregierung, die diese Verschärfung des Asylrechts durchgeboxt hat. Im Jänner 2016 ist unter dem Eindruck der Flüchtlingswelle Asyl auf Zeit von der SPÖ-ÖVP-Regierung beschlossen worden. Damit ist bei allen Fällen, in denen nach dem 15. November 2015 Asyl zuerkannt wurde, automatisch spätestens nach drei Jahren zu prüfen, ob im jeweiligen Heimatland die Fluchtgründe noch vorliegen.

Die Auswirkungen dieser Bestimmung bekommt jetzt auch das Bundesverwaltungsgericht mit Präsident Harald Perl zu spüren. Eine neue Welle an Einsprüchen und Klagen steht damit bevor. Denn wer gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenrecht und Asyl Beschwerde einlegt, landet hier. "Es ist jetzt verstärkt losgegangen", wird im Bundesverwaltungsgericht der "Wiener Zeitung" geschildert. Dabei ist man in der Schiedsinstanz ohnehin noch mit dem Aufarbeiten von 40.000 offenen Verfahren (Stand: Ende 2018) beschäftigt.

Wegen des Instanzenzuges machen sich die Folgen der Überprüfung der Asyl-Fälle auf Zeit am Bundesverwaltungsgericht erst mit Verzögerung bemerkbar. Deshalb wird mit einer noch höheren Zahl an Menschen, die nach einer Einzelprüfung den Asylstatus nach drei Jahren verlieren, erst sukzessive gerechnet. Bei der Flüchtlingswelle ab dem Sommer 2015 war das auch so. Da legten Betroffene dann im Laufe der Jahre 2016 und 2017 vermehrt Beschwerde gegen einen negativen Asylbescheid ein. Zur Bewältigung wurde das Personal beim Bundesverwaltungsgericht daraufhin um 120 Planstellen aufgestockt. Damit arbeiten 220 Richter und insgesamt 600 Bedienstete am Bundesverwaltungsgericht.

Berufungen gegen Asylbescheide fast vervierfacht

Aber wie es mit den 120 zusätzlichen Posten weitergeht, ist offen. Denn an sich müsste deren Zahl in drei Stufen wieder auf den ursprünglichen Stand reduziert werden. Justizminister Josef Moser drängt hingegen angesichts der Entwicklung darauf, weiter einen entsprechenden Personaleinsatz sicherzustellen, damit zumindest gleich viele Fälle wie zuletzt bewältigt werden können.

Er argumentiert dabei auch damit, dass von 2014 bis 2018 der Personalstand bei dem bei Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) angesiedelten Bundesasylamt um 129 Prozent erhöht worden sei, beim Bundesverwaltungsgericht aber nur um 35 Prozent. Der Justizminister verweist darauf, dass die Zahl der erledigten Verfahren innerhalb weniger Jahre deutlich gesteigert wurde. 2014 wurden rund 18.000 Fälle pro Jahr abgearbeitet, im vergangenen Jahr waren es laut Justizressort immerhin 30.000.

Der dramatische Anstieg des Arbeitsanfalls am Bundesverwaltungsgericht geht praktisch ausschließlich auf das Asylwesen zurück, wie eine Aufstellung von Justizminister Moser zeigt. Rund 8000 Fälle betrafen 2014 vor dem Flüchtlingsandrang nach Europa und Österreich Asylentscheidungen. Bis zum Jahr 2018 hat sich die Zahl der Asylfälle auf mehr als 30.000 beinahe vervierfacht.

Entsprechend dramatisch entwickelte sich der Stapel jener Beschwerden, bei denen die Verfahren in der Berufungsinstanz vorerst offen blieben. 2014 wurden knapp 14.000 offene Verfahren gezählt, Ende 2018 waren es trotz verstärktem Personaleinsatz bereits 40.600 Verfahren. Eine andere Entwicklung hat ebenfalls zu einer verstärkten Anrufung des Bundesverwaltungsgerichts geführt: Die Zahl der Fälle, in denen Antragssteller keinen positiven Asylbescheid in erster Instanz erhalten haben, ist gestiegen. Genau diese Personen wenden sich dann an das Bundesverwaltungsgericht. Ein Mitgrund für die häufigen Beschwerden ist, dass einer rechtzeitig vor dem Fristende eingebrachten zulässigen Beschwerde gegen einen Bescheid grundsätzlich - mit Ausnahmen - aufschiebende Wirkung zukommt.

Finanzminister bremst Moser bei Personalforderungen

Wie auch bei der Justizwache in den Gefängnissen und bei den Kanzleibediensteten in der Justiz ist der Justizminister mit einer großen Herausforderung der Bediensteten durch die stark gestiegene Arbeitsbelastung konfrontiert, während die Bundesregierung beim Personal mit Ausnahme bei der Polizei und bei den Lehrern einen Sparkurs auch bei den Posten festgelegt hat. Erst am Mittwoch hat Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) am Rande des Ministerrats die am Dienstag bekräftigten Forderungen des Justizministers nach 150 weiteren Planstellen für die Justizwache, die in permanent überfüllten Gefängnissen Dienst tun, gebremst. Vom Finanzminister gibt es keine Finanzierungszusage, er verwies ausdrücklich darauf, dass es auch in anderen Bereichen Wünsche gebe und er darauf achten müsse, dass der von der Bundesregierung angekündigte Budgetüberschuss möglich werde.

Der Justizminister hat schon versucht, mit verschiedenen Maßnahmen die Effizienz zu erhöhen. So wurde probeweise ein Monitoring für den Einsatz der juristischen Mitarbeiter beim Bundesverwaltungsgericht zum Einsatz gebracht, um deren Tätigkeit besser bedarfsbezogen zu steuern. Die Innere Revision der Gerichte soll eine strukturelle Analyse ausgewählter Bereiche des Bundesverwaltungsgerichts vornehmen, um Verbesserungsmöglichkeiten zu finden. Weiters setzt Moser auf Fort- und Weiterbildungsangebote, um die Führung der Verfahren möglichst effizient zu gestalten. Schließlich setzte der Justizminister bei behördeninternen Kontakten an, um den bevorstehenden Anfall von Fällen künftig rascher abschätzen zu können und sich darauf vorzubereiten.