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Neue Bauern braucht das Land

Von Clemens Foschi

Politik

Südafrikas Provinz lebt von der Landwirtschaft. | Ehemalige Angestellte werden zu Bauern. | Mangelndes Wissen als großes Problem. | Johannesburg. Die Provinz Limpopo, im Norden des Landes, nach dem gleichnamigen Grenzfluss zu Simbabwe benannt, wird auch als Garten Südafrikas bezeichnet. Ein großer Teil der heimischen Obst- und Gemüseproduktion, Mangos, Papayas, Zitrusfrüchte, Tomaten oder Kartoffel entstammt der Provinz. Der überwiegende Teil der Produktion wird auf Großfarmen kultiviert, zumeist in der Hand weißer Farmer.


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Maria, Josef und Paul leben in einem kleinen Dorf in Blouberg, einer der ärmsten Regionen der Provinz. 2004 haben sie mithilfe eines staatlichen Darlehens einem weißen Farmer 857 Hektar Land abgekauft. Ihre landwirtschaftlichen Nutzflächen liegen rund zehn Kilometer vom Dorf entfernt, in einer flachen, von Büschen und niedrigen Bäumen bewachsenen Landschaft. Die nicht mehr ganz jungen Neofarmer stehen im Schatten eines Baumes zwischen zwei Feldern. Nur ein kleiner Teil der Fläche wird von ihnen kultiviert. Der Rest ist von Büschen und Steppengras überzogen. Hier weiden Pauls Kühe.

Paul ist der Rinderzüchter der Genossenschaft und der Einzige, der auch auf dem Farmland lebt und als ehemaliger Viehhirte bei einem weißen Farmer landwirtschaftliche Erfahrungen mitbringt. Sie alle haben ihre neue Berufung dem Land Redistribution for Agricultural Development Programme zu verdanken, welches Schwarzen Zuschüsse von maximal 4900 US-Dollar für den Erwerb von Land gewährt. Vor allem benachteiligte, arme Haushalte sollen von dem Programm profitieren.

Ein Erbe der Apartheid: Verteilung ungerecht

In kaum einem Land südlich der Sahara ist der Besitz fruchtbaren Bodens ungerechter verteilt als in Südafrika. Bereits vor der offiziellen Einführung der Apartheid im Jahr 1948 wurden schwarze Südafrikaner politisch, wirtschaftlich und beim Besitz von Grund und Boden systematisch benachteiligt. Während der Apartheid wurden Schwarze größtenteils entschädigungslos enteignet und ihnen der Erwerb von Land verwehrt. Viele wurden darüber hinaus zwangsumgesiedelt. Am Ende der Apartheid-Ära befanden sich über 90 Prozent der Agrarfläche im Besitz von Weißen.

Nach dem Ende der Apartheid wurde von der Mandela-Regierung ein aus den drei Elementen Rückgabe, Umverteilung sowie Landarbeiter- und Landrechte bestehendes Gesetz beschlossen, dass eine faire Verteilung des Landes gewährleisten sollte. Im Gegensatz zur Vorgehensweise von Robert Mugabe in Simbabwe, wo weiße Farmer zur Aufgabe des Landes gezwungen wurden und werden, setzt Südafrika auf das "willing seller, willing buyer"-Prinzip. Sind die weißen Landbesitzer einverstanden, kauft der Staat ihnen das Land zum Marktpreis ab und führt es dem ursprünglichen Besitzer zu, oder verkauft es an Menschen wie Maria, Josef und Paul.

Die Herausforderungenfür die neuen Bauern

Josef und Maria waren zuvor bei der Bahn und als Bedienstete tätig. Wie viele andere südafrikanische Neofarmer verfügen sie nicht über ausreichende landwirtschaftliche Kenntnisse. Das Know-how zur Vermarktung der Produkte und auch die technische Ausrüstung sind mangelhaft.

Die Entwicklungshilfeorganisation Care hat es sich daher zum Ziel gesetzt, die staatlichen Maßnahmen zur Förderung der neuen schwarzen Bauern zu unterstützen. Beim Projekt Linking Land geht es darum, in Zusammenarbeit mit der Regionalverwaltung von Blouberg die Rahmenbedingungen für die neuen Farmer zu verbessern.

Mmatapa Moabelo ist als lokale Mitarbeiterin von Care dafür zuständig, ihren Landsleuten in allen Bereichen ihrer neuen Tätigkeit zur Seite zu stehen. Die 35-jährige studierte Betriebswirtin war zuvor ebenso wenig mit der Materie vertraut wie ihre neuen Klienten. Mit Unterstützung ihrer Kollegen von Care Österreich ging es zuerst darum herauszufinden, welche Produkte auf dem neu erworbenen Land am besten gedeihen. Dann musste eine Bewässerungsanlage in der mit Trockenheit kämpfenden Region errichtet werden. Die fehlenden Niederschläge waren auch der Grund, vom ursprünglichen Ziel, sich auf die Produktion von Tomaten zu konzentrieren, abzurücken.

"Wir haben daher beschlossen, in Zukunft hauptsächlich Kürbisse, Kartoffeln und Mais anzubauen", meint Josef. Die Abnehmer der Produkte sind lokale Märkte, da sie die Qualitäts- und Verpackungsvorschriften von Großhändlern (noch) nicht erfüllen können. "Die Preise sind auf den lokalen Märkten zwar geringer als in den Supermärkten in den Städten", erzählt Josef, "doch wir müssen noch viel lernen und die Qualität der Produkte verbessern."

Die Auswirkungen der Landreform in Südafrika

Auch auf staatlicher Ebene entsprechen die durch die neuen Maßnahmen erzielten Ergebnisse nicht den Erwartungen. In 70 Prozent der Restitutionsfälle wurde finanziell entschädigt und nicht durch die Abgabe von Land. Dadurch bleibt die Neuverteilung von Land aus und der Beitrag zur Wirtschaftsentwicklung und Armutsbekämpfung ist gering. Zudem könnten die Gelder für Bildung, Gesundheit oder Arbeitsbeschaffung effizienter genutzt werden. Südafrikas Präsident Jacob Zuma will daher eine radikale Änderung der bisherigen Praxis herbeiführen, ohne dabei die gleichen Fehler wie sein despotischer Nachbar Robert Mugabe zu begehen.

Die gewaltsamen Vertreibungen weißer Farmer in Simbabwe haben in der ehemaligen Kornkammer Afrikas zu einem drastischen Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion und zu einer Hyperinflation geführt. Millionen von Simbabwern wurden durch den wirtschaftlichen Niedergang zur Flucht nach Südafrika gezwungen. Johannes Möller, Präsident von AgriSA, der Vereinigung südafrikanischer Großfarmer, hat bereits mit Gegenmaßnahmen gedroht, sollte Zuma vom "willing seller - willing buyer"-

Prinzip abkehren.

Maria und ihre Kollegen glauben nach fünf Jahren und so manchen Rückschlägen an ihre Zukunft als Bauern. "Wir besitzen unser eigenes Land. Das war noch vor 15 Jahren unvorstellbar", sagt Josef. Auch für Mmatapa, die die Drei nun seit zwei Jahren begleitet, ist das Projekt ein Erfolg. "Es gibt kaum wirtschaftliche Aktivitäten in der Region Blouberg, und die vielen neuen Bauern sind zumindest in der Lage, sich selbst zu versorgen."

Auf den Feldern setzt langsam die Dämmerung ein. Die Neofarmer kehren wieder in ihr Dorf zurück. Kinder laufen auf den lehmigen Straßen zwischen den Häusern umher. Vor einem der Häuser liegt ein großes Feld, auf dem Tomaten angebaut werden. Doch die Tomatenpflanzen werden nicht wie gewohnt mittels Stangen befestigt, um die schweren Früchte zu tragen, sondern liegen auf der Erde. "Ich habe ihnen bereits mehrmals gesagt, dass die Tomaten faulig werden, wenn sie keinen Halt haben und am Boden liegen", sagt Mmatapa Moabelo entschuldigend und wirkt dabei etwas resigniert. "Es dauert wohl noch ein paar Jahre bis aus Ihnen richtige Bauern werden."