Anwälte kritisieren lange Verfahrensdauer des neuen Asyl-Bundesamts.
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Wien. Als vor einem Jahr das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seinen Betrieb aufnahm, war es ein bisschen so, als hätte die neu geschaffene Behörde den Startschuss überhört. Wochenlang ging aufgrund von EDV-Problemen und Akten-Chaos wenig bis gar nichts. "In den ersten Monaten war das Bundesamt sehr stark mit sich selbst beschäftigt", erzählt Clemens Lahner, ein auf Asylfragen spezialisierter Anwalt.
Doch auch abgesehen von solchen Pannen war mit einer Eingewöhnungsphase zu rechnen, denn im BFA wurden gleich 194 behördliche Kompetenzen gebündelt. Es war doch eine größere Verwaltungsreform, die auch bedeutete, dass sich die Mitarbeiter des BFA auf einmal mit einer weiteren komplexen Gesetzesmaterie zu befassen hatten. Erstmals wurden Asyl- und Fremdenrecht zusammengeführt. "Langfristig ist das vielleicht positiv, kurzfristig überwiegen aber die Schwierigkeiten", sagt Lahner.
39 Prozent positive Bescheide
Auch Wolfgang Taucher, der Leiter des BFA, sieht die enorme Komplexität der zwei Bereiche. Er resümiert das erste Jahr dennoch positiv, die Zusammenführung habe sich bewährt, sagt er, trotz steigender Antragszahlen. Ab Sommer haben vor allem die Flüchtlingszahlen aus Syrien deutlich zugenommen, Asylwerber aus dieser Region haben auch für fast schon historisch hohe Anerkennungsquoten gesorgt.
In der vom BFA verantworteten ersten Instanz wurden 39 Prozent der Anträge (2013: 25 Prozent) oder auch rund 7000 in absoluten Zahlen positiv beschieden. Dazu kommen noch 1500 Flüchtlinge, die Österreich direkt, also ohne Asylanträge, aus den Flüchtlingslagern nahe der syrischen Grenze übernommen hat sowie Personen, die subsidiären Schutz erhalten haben. Letzteres betrifft Asylwerber, die nicht unter die Genfer Flüchtlingskonvention fallen, deren Sicherheit aber im Fall einer Abschiebung gefährdet wäre.
Durch die um insgesamt 60 Prozent gestiegenen Antragszahlen sei ein Vergleich der neuen Behörde mit dem vorangegangenen System schwierig, sagt Helmut Blum, Asylanwalt in Linz. "Der Vergleich hinkt zwar, aber sie schwimmen", sagt Blum. Er habe "nicht viel Verbesserungen" bemerkt, "nach wie vor gehen die Verfahren schleppend voran". Auch sein Kollege Lahner berichtet von einzelnen Fällen, in denen monatelang rein gar nichts weitergeht. Und je länger die Verfahren dauern, desto länger bleiben die Asylwerber auch in der Grundversorgung der Länder und belegen damit jene Plätze, die neuangekommene Flüchtlinge dringend benötigen würden.
Da das Problem der vollen Quartiere und nicht erfüllter Quoten von den Ländern deutlich unterschätzt wurde, spitzte sich die Situation gegen Ende des Jahres zu, nur mit Mühe, Not und Anmietungen durch das Innenministerium konnte man sich die Peinlichkeit von Zeltstädten für Asylwerber ersparen. Vorerst zumindest. Denn Entlastung ist nicht in Sicht, BFA-Chef Taucher rechnet für das laufende Jahr mit bis zu 40.000 Asylanträgen, die naturgemäß auch einen Anstieg bei Fremdenrechtsentscheidungen nach sich ziehen würden.
Die Reaktion des BFA darauf heißt Rekrutierung. Aus dem Verteidigungsministerium werden rund 80 Personen aufgenommen, von 555 Mitarbeitern wird auf mehr als 700 aufgestockt. "Die müssen sich aber auch erst alle einarbeiten", sagt Blum. "Wir Anwälte werden täglich mit Anrufen konfrontiert, in denen sich die Klienten beklagen, weil sie monatelang nichts von der Behörde hören", erzählt der Linzer Anwalt. "In der Personalrekrutierung sehe ich das größte Problem."
Fortbildung und neue Gesetze
Das BFA setzt dem Fortbildung entgegen, 104 Kurse hat es 2014 für die Mitarbeiter gegeben, für Taucher ist dies eine "Investition", wie er sagt. Es ändert allerdings nichts an der gegenwärtigen Überlastung der Behörde, die sich im Dezember auch durch einen plötzlichen Anstieg von Anträgen von Kosovo-Albanern verstärkt hat. Statt wie in den ersten Monaten um die 50 Personen suchten auf einmal 780 um Asyl in Österreich an. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner will deshalb ein 10-tägiges Schnellverfahren bei Anträgen aus sogenannten "sicheren Staaten" einführen, der Kosovo zählt mittlerweile dazu.
Doch abgesehen davon, dass es sich hier auch nur um einen statistischen Ausschlag handeln könnte und sich die Zahlen in ein paar Monaten wieder im zweistelligen Bereich bewegen könnten, bedeutet der Plan Mikl-Leitners, dass das Gesetz erneut ergänzt wird und damit verkompliziert wird. "Diese ständigen Novellierungen sind eine unglaubliche Vergeudung von Zeit und Geld, denn man muss sich immer wieder neu einarbeiten", sagt Lahner. Es betrifft ihn genauso wie die Mitarbeiter beim BFA. Und mehr Komplexität bedeutet wieder: längere Verfahrensdauern. "Für die psychische und physische Gesundheit ist es eine Katastrophe, wenn jemand drei oder vier Jahre herumsitzen muss und nicht arbeiten darf", sagt Lahner.