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Neue Behörden und neue Arbeitsbedingungen für den Bergbau

Von Leopold Bernd Fruhmann

Politik

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Am 4. Dezember, am Tag der heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Bergleute, verabschiedete der Nationalrat das neue Berggesetz, das unter dem etwas prosaischen Titel "Mineralrohstoffgesetz" am

1. Jänner 1999 an die Stelle des alten Berggesetzes treten soll.

Vor allem die letzte Phase der Verhandlungen war zum Teil von sehr heftigen Auseinandersetzungen geprägt, die auch im Abstimmungsergebnis ihren Niederschlag fanden. Die Mehrheit der SPÖ- und ÖVP-

Abgeordneten, die dem Gesetz zustimmten, erhielten hinsichtlich der verschärften Genehmigungsvoraussetzungen für Schottergruben Unterstützung von den Grünen.

Abgelehnt wurde das Gesetz von den Freiheitlichen und den Liberalen, aber auch von insgesamt acht Wirtschaftsvertretern der ÖVP mit Kammerpräsident Maderthaner an der Spitze.

Wenden wir uns aber zunächst dem Ausgangspunkt der parlamentarischen Verhandlungen zu. Die Regierungsvorlage bezieht jeglichen Abbau mineralischer Rohstoffe, auch die obertägige Gewinnung

grundeigener Mineralien wie Sand, Schotter und Kies, in das neue Gesetz ein und weist, zumal die alten Berghauptmannschaften aufgelöst werden, die Zuständigkeit für die Genehmigung der

diesbezüglichen Gewinnungsbetriebspläne in erster Instanz der Bezirkshauptmannschaft und in zweiter dem Landeshauptmann zu.

Für den Abbau bergfreier Mineralien (etwa Metalle, Kohle, Ölschiefer) und bundeseigener Rohstoffe (Steinsalz, Kohlenwasserstoffe, Uran, Thorium) sowie für jeden Abbau untertags soll der

Wirtschaftsminister in einer Instanz zuständig sein.

Zugleich werden die Verfahren vereinfacht und konzentriert. Statt getrennter Gewinnungsbewilligungen sowie Genehmigung der Aufschließungs- und Abbaupläne wird es künftig ein konzentriertes Verfahren

für einen umfassenden Gewinnungsbetriebsplan und ein einheitliches Anlagenrecht geben.

EU-Richtlinien ("Integrierte Betrachtungsweise in Umweltschutzangelegenheiten" und "Vermeidung gefährlicher Emissionen") wurden in das Gesetz eingearbeitet.

Weniger Bürokratie sowie Parteienrechte

Die weitreichendste und unbestrittene Neuerung besteht in der vollen Parteienstellung von Ländern und Gemeinden im bergrechtlichen Verfahren sowie in der umfassenden Parteienstellung von

Grundeigentümern, Nachbarn, Anrainern und sonstigen betroffenen Personen. Dazu kommen besondere Bestimmungen für die Genehmigung des obertägigen Abbaus grundeigener mineralischer Rohstoffe.

Als Abbauverbotsbereich gelten Bauland, erweitertes Wohngebiet, Gebiete für Kinderbetreuungseinrichtungen, Krankenhäuser, Kirchen, Naturschutz- und Nationalparkgebiete sowie der Wald- und

Wiesengürtel in Wien. Grundsätzlich gilt eine Abbauschutzzone von 300 m.

Jedem Antrag auf Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplans wird auch ein Konzept über den Abtransport der Rohstoffe anzuschließen sein, das nach den Verkehrsgrundsätzen (Routenwahl, Transportgewicht

und Transportzeiten) der Standortgemeinde, unter Umständen auch der Nachbargemeinde ausgearbeitet worden ist. Außerdem setzt der Abbau grundeigener mineralischer Rohstoffe ein überwiegendes

öffentliches Interesse voraus.

Zu diesen öffentlichen Interessen, die bei der Genehmigung des Gewinnungsbetriebsplanes abzuwägen sind, zählen Mineralrohstoffsicherung und -versorgung, Raumordnung und örtliche Raumplanung,

Wasserwirtschaft, Umweltschutz und Schutz der Bevölkerung vor unzumutbaren Belästigungen durch den Abbau, dessen Anlagen und den durch ihn erregten Verkehr.

Ein hartes Stück Arbeit im Ausschuß

In der ersten Verhandlungsrunde im Wirtschaftsausschuß am 27. Oktober 1998 hatte sich nur SP-Abg. Eder positiv über die Parteistellung für Gemeinden und die Schutzzone zwischen Abbau- und

Wohngebieten geäußert, FP-Abg. Schöggl dagegen ein Mehr an Bürokratie, Probleme in der Übergangsphase von der alten zur neuen Behörde und hohe Kosten für die Betriebe befürchtet.

Abg. Petrovic von den Grünen kritisierte insbesondere die zu weit gehenden Enteignungsmöglichkeiten und verlangte die Einsetzung eines Unterausschusses, fand dafür aber keine Mehrheit unter den

Ausschußmitgliedern. Die VP-Abg. Fekter und Maderthaner sprachen von einem "unternehmerfeindlichen Gesetzentwurf".

Nach der Vertagung der Verhandlung Ende Oktober setzte der Wirtschaftsausschuß seine Beratungen am 1. Dezember fort. Im Verlauf dieser Sitzung präsentierten die Abg. Tichy-Schreder (VP) und Eder (SP)

zwei Abänderungsanträge mit insgesamt mehr als siebzig Punkten. Ein kurzfristig eingelangtes Gutachten des Verfassungsdienstes mit Bedenken wegen EU-Widrigkeit der in der Regierungsvorlage

vorgesehenen Bedarfsprüfung beim Schotter-, Kies- und Sandabbau machte eine mehrstündige Sitzungsunterbrechung notwendig.

Diese Vorgangsweise rief die Kritik der Oppositionsparteien hervor und veranlaßte die Freiheitlichen, die Ausschußsitzung unter Protest zu verlassen.

Die Abänderungen im Detail

Die wichtigsten der schließlich mit SP-VP-Mehrheit angenommenen Abänderungen erläuterte Ausschußobfrau und Antragstellerin Tichy-Schreder den Ausschußmitgliedern wie folgt: Genehmigte Aufschluß-

und Hauptbetriebspläne gelten weiter, da andernfalls mit Inkrafttreten des Mineralrohstoffgesetzes am 1. Jänner 1999 jeglicher Bergbau in Österreich eingestellt werden müßte.

Die Überleitung der Behördenzuständigkeit erfolgt stufenweise, da, wie Wirtschaftsminister Farnleitner ausführte, die Einrichtung der neuen Behörden Zeit benötige. Anhängige Verfahren können in den

nächsten beiden Jahren noch von der alten Bergbehörde durchgeführt werden, neue Ansuchen und wesentliche Änderungen müssen aber bereits ab 1. Jänner 1999 bei der neuen Behörde eingereicht werden.

Liste der bergfreien Materialien erweitert

Um den Abbau der in Österreich seltenen Mineralien Magnesit, Kalkstein mit mehr als 95 Prozent Kalziumkarbonat, Diabas, bestimmter Quarzsande, Illitton und Blähtone sicherzustellen, werden sie in

die Liste der bergfreien Mineralien aufgenommen, aber ausdrücklich nicht dem Grundeigentum entzogen. Die Inhaber der Gewinnungsbewilligungen für diese Mineralien können die Umwandlung der Abbaufelder

in Grubenmasse bis Ende 2003 beantragen.

Erleichterungen für Schottergruben

Schottergruben werden Ausnahmen von der 300 Meter-Schutzzone eingeräumt, und zwar dann, wenn zwischen Betrieb und Grundstücken Autobahnen, Schnellstraßen und Bahntrassen liegen oder Gemeinden und

Anrainer zustimmen. Bei der Abwägung der öffentlichen Interessen, wie sie die zusätzlichen Genehmigungsvoraussetzungen für den Abbau von Schotter, Sand und Kies vorsehen, soll anstelle der

Bedarfsprüfung nunmehr auf die Standortgebundenheit von Vorkommen grundeigener mineralischer Rohstoffe sowie auf die Minimierung der Umweltauswirkungen durch möglichst kurze Transportwege Bedacht

genommen werden.

Weitere Änderungen der Regierungsvorlage und des Arbeitsinspektionsgesetzes beinhalten die Überführung des Arbeitnehmerschutzes auch untertags in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Arbeit,

Gesundheit und Soziales.

Oppositionelle Kritik im Ausschuß

Die Detailkritik der Abg. Petrovic galt im Ausschuß den ihrer Meinung nach gravierenden Verschlechterungen durch die Abänderungen, vor allem dem verlängerten Fortbestand der Bergbehörde. Überdies

hielt sie ein eininstanziges Verfahren beim untertägigen Abbau grundeigener Mineralien und beim Abschlußverfahren für bedenklich. Außerdem drängte Petrovic darauf, die Parteienstellung der Anrainer

und Gemeinden nicht nur auf den obertägigen Abbau grundeigener Mineralstoffe zu beschränken.

Die Grünen traten auch bei leichten Bergwerksunfällen für eine Meldepflicht ein, da · auch dies eine Erfahrung von Lassing · kleinere Unfälle oft auf Mängel hinweisen, die zu größeren Unfällen führen

können.

Die Ausnahme von der 300-Meter-Schutzzone bei Anrainern von Autobahnen und Bahntrassen lehnte Petrovic ab und wurde später im Plenum darin von den Klubkollegen Öllinger und Kammerlander unterstützt.

Weiters übte Petrovic Kritik an Bestimmungen, die auch beim Schotterabbau Enteignungen ermöglichen. Dies sei ein nicht notwendiger Grundrechtseingriff, da Schotter massenhaft vorhanden sei. Warnungen

der Freiheitlichen, namentlich des Abg. Nußbaumer, vor einem Zusammenbruch der Rohstoffversorgung hielt Petrovic für nicht zutreffend, zumal Österreich, so Petrovic, Schotter-Nettoexporteur sei.

Konkrete Hinweise Petrovics veranlaßten die Koalitionsparteien schließlich, in ihren Abänderungsantrag eine Passage aufzunehmen, die Grundenteignungen zugunsten von Schottergruben auf

sicherheitstechnische Maßnahmen im Zusammenhang mit gefährlichen Ereignissen einschränkt.

LIF-Abg. Peter hielt ein neues Gesetz für den Bergbau für notwendig, weil das alte, autoritäre Berggesetz nicht mehr in eine moderne BürgerInnengesellschaft passe. Er war aber dagegen, dieses Gesetz

um jeden Preis bis zum 1. Jänner 1999 "durchzupeitschen".

Inhaltlich traten die Liberalen dafür ein, den Abbau grundeigener Rohstoffe im Gewerberecht zu regeln. Dort seien ausreichende Anrainerrechte vorgesehen und zudem gewährleistet, daß sich eine

Gemeinde entscheiden könne, ob sie Schotter abbauen oder Hotels betreiben möchte.

VP-Abg. Kopf, der das Gesetz letztlich ablehnte, erinnerte an die vernünftige Arbeit an der Novelle des Berggesetzes bis zum Unglück in Lassing, danach habe er eine "Anlaßgesetzgebung" in der Sache

und in der politischen Dimension sowie "überschießende Aktivitäten" beobachten müssen. Kopf hätte sich bei der 300 Meter-Schutzzone mehr Rücksicht auf landschaftliche Gegebenheiten gewünscht · ein

Anliegen, für das er weiterhin eintreten wolle, zumal Betroffenheit nicht in Metern ausgedrückt werden könne.

SP-Abg. Eder verteidigte die Schutzzonenregelung, da Menschen vor den Auswirkungen von Sprengungen zu schützen seien. Hinsichtlich der Ausnahmen wies Eder Petrovic auf Lärmschutzwände hin, die es

erlaubten, jenseits von Straßen und Bahntrassen Schotter ohne Mehrbelastung für die Anrainer abzubauen. Positiv besprach Eder schließlich die neuen Parteienrechte und die Einbeziehung der untertags

arbeitenden Menschen in den allgemeinen Arbeitnehmerschutz.

Aus der Debatte im Plenum

In der Plenardebatte resümierte der Leobner FP-Abg. Grollitsch, der am Barbaratag in der schwarzen Tracht der Bergleute ans Rednerpult trat, kritisch das Ergebnis der Verhandlungen zum neuen

Gesetz. Kostenschätzungen fehlten, jede Betriebsabteilung brauche nun einen Betriebsleiter, überdies werde das Bergrecht durch die Einbeziehung des Schotters aufgeweicht.

Die Obfrau des Wirtschaftsausschusses, VP-Abg. Tichy-Schreder, wies den Vorwurf einer Husch- Pfusch-Gesetzgebung entschieden zurück und bezeichnete das Mineralrohstoffgesetz als ein praktikables

Gesetz für die Zukunft, in dem seltene Rohstoffe wie Magnesit gesichert, die Grundrechte der Bürger und Gemeinden ebenso wie die Wirtschaftsinteressen gewahrt bleiben.

SP-Abg. Eder zeigte sich gegenüber den Kritikern überzeugt, daß durch dieses Gesetz weder Betriebe zusperren müssen noch Arbeitsplätze verloren gehen. Die Erfahrungen mit dem Berggesetz haben ein

modernes Mineralrohstoffgesetz erforderlich gemacht, das die Wünsche der Gemeinden nach mehr Mitsprache berücksichtigt.

Wie Eder und in weiterer Folge sein Fraktionskollege Marizzi hervorhoben, wird durch die Schaffung von Abbauverbotszonen sichergestellt, daß in der Nähe von Wohngebieten oder bei Kinderspielplätzen

kein Abbau möglich sein wird, der Weiterbestand bisheriger Betriebe aber garantiert werde.

Als Bürgermeister sei er zufrieden mit dem MinroG, erklärte VP-Abg. Steindl, da es eine genau definierte Parteistellung für Anrainer, Gemeinden und Länder bringe, die Erstellung eines

Verkehrskonzepts vorsehe, die Bewilligungsverfahren vereinfache und insgesamt bürgernäher als das bisherige Berggesetz sei. Die Kritik der Opposition an der Arbeit des Wirtschaftsausschusses verstehe

er nicht · dort sei der Feinschliff vorgenommen und Vorstellungen der Abgeordneten eingebracht worden.

Nach Auffassung des FP-Abg. Schöggl hätten bei der Änderung des Berggesetzes die Kriterien der Verfügbarkeit, der Zugänglichkeit und der Abbauwürdigkeit im Mittelpunkt der Überlegungen stehen sollen.

Die Instrumente der Raumordnung seien nicht in die Pflicht genommen worden. Eine vergebene Chance, meinte Schöggl.

SP-Abg. Kaufmann konstatierte demgegenüber einen vernünftigen und tragbaren Kompromiß, der gegensätzlichen Interessen Rechnung trägt, die Versorgung mit mineralischen Rohstoffen sichert, den

Weiterbestand der Betriebe und somit der Arbeitsplätze sichert und den Arbeitnehmerschutz untertags verbessert. Die 900 offenen Verfahren, die noch durch die Bergbehörde abgewickelt werden, sollten

bereits im Sinne des neun Gesetzes erledigt werden, so der Wunsch Kaufmanns.

LIF-Abg. Barmüller hielt es für unklug, fixe Abstandsgrenzen für die Betrieb im Gesetz zu fixieren. Barmüller würde eine individuelle Vorgangsweise mit Entscheidungen von Fall zu Fall bevorzugen.

FP-Abg. Hofmann wertete das MinroG als einen schlechten Kompromiß und meinte, die Massenrohstoffe hätten in diesem Gesetz nichts verloren. Nach wie vor mangle es an einem langfristigen Plan für die

Sicherung des Bergbaus, die Überführung der Bergbau-Agenden zu den Bezirkshauptmannschaften würde zu Rechtsunsicherheit führen, befürchtete Hofmann.

VP-Abg. Auer begrüßte das neue Gesetz und sah die umfassende Parteistellung für die Gemeinden und die vorgesehenen Verkehrskonzepte für den Abtransport der Rohstoffe positiv. Über die Schutzzonen

wollte Auer, wie er sagte, noch einmal diskutieren.

SP-Abg. Gassner zeigt sich froh über die neuen Parteienrechte der Gemeinden und der Anrainer. Unternehmerfeindlichkeit konnte Gassner keine erkennen: "Ordentliche Genehmigungsverfahren sind nicht

wirtschaftsfeindlich".

VP-Abg. Puttinger räumte ein, daß an der Regierungsvorlage Verbesserungen vorgenommen wurden. Er lehnte das Gesetz dennoch ab, weil es nicht einmal in Gemeinden, in denen alle Anrainer dafür seien,

Bergbau innerhalb der 100 Meter-Zone zulasse.

Der obersteirische SP-Abg. Wallner wiederum verweigerte der Auflösung der Berghauptmannschaft Leoben seine Zustimmung und appelliert an den Wirtschaftsminister, sich für eine Außenstelle der

Bergbehörde Neu in der traditionsreichen Bergbaustadt einzusetzen.

SP-Abg. Kummerer meinte, ein Mineralrohstoffgesetz, das den Interessen des Bergbaus, der Rohstoffsicherung, der Wirtschaft, aber auch der Anrainer und Gemeinden entsprechen soll, könne nur einen

Kompromiß darstellen. Dann verwies Kummerer auf seine guten beruflichen Erfahrung mit der Wiener Bergbehörde und dankte den dort tätigen Bediensteten. "Sie haben die Hiebe nicht verdient, die sie in

den letzten Wochen bezogen haben", sagte Kummerer zum Abschluß der Debatte.Õ

Leopold Bernd Fruhmann ist Mitarbeiter des Parlamentarischen Pressedienstes

DEZEMBER 1998