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Wir alle kennen das: Die Delete-Taste ist schnell gedrückt. Das Dokument rasch in den Papierkorb gezogen. Die CD schnell in den Schredder gesteckt. So ungefähr muss man es sich auch im Katharinenkloster auf der ägyptischen Halbinsel Sinai vorstellen. Hier wurden vor langer Zeit Pergamente abgewaschen, um sie wiederverwenden zu können. So auch eines mit einem bisher unbekannten Text aus der Zeit Homers, den Giulia Rossetto von der Akademie der Wissenschaften entdeckt hat.
Aus Fragmenten ausradierter Schriften auf mittelalterlichen Pergamentblättern kann man Texte rekonstruieren. Das Kloster war schon im 6. Jahrhundert aktiv und ist damit das älteste bis heute bewohnte Kloster der Christenheit. Seine Bibliothek enthält eine außergewöhnliche Sammlung von Handschriften aus dem 1. Jahrtausend mit tausenden Manuskripten. Mittels Multispektralfotografie und Bildanalyse können die Wissenschafter selbst in schlechtem Zustand erhaltene Fragmente wieder lesbar machen.
Im vorliegenden Fall ist es ein poetischer Text in Hexametern. Dieser entstammt einem Epos, das ursprünglich 24 Bücher umfasste und dessen Existenz bisher nur indirekt belegt war.
Das muss den Mönchen erst einmal jemand nachmachen: eine völlig analoge Konservierung, die sogar zerstörte Texte noch erhält. Nicht wie bei uns heute. Von uns wird dank der technischen Vergänglichkeit unserer Werkzeuge nichts bleiben. Außer es wurde gedruckt. Und das ist wohl der Treppenwitz der Digitalisierung.