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Neue Chance für demokratiepolitische Anliegen der Zivilgesellschaft

Von Christian Rösner

Analysen

Nach einem 14-monatigen Prozess sind nun 13 Tierschutz-Aktivisten von der Beteiligung an einer kriminellen Organisation nach Paragraf 278a Strafgesetzbuch freigesprochen worden. Dieser Paragraf wurde in der Folge des Terroranschlages am 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York geschaffen, um auch in Österreich gegen alle möglichen Formen der Schwerkriminalität im Stil der Mafia vorgehen zu können.


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Dafür muss neben der Gründung einer kriminellen Organisation auch der Tatbestand einer "Bereicherung im großen Umfang oder erheblicher Einfluss auf Politik oder Wirtschaft" erfüllt werden, was bei den Tierschützern laut nunmehriger Urteilsbegründung nicht der Fall gewesen ist - die Beschuldigten wurden von sämtlichen Vorwürfen freigesprochen.

Bereits im Jahr 2008, als der Fall mit den Tierschützern ins Rollen kam, wurde davor gewarnt, dass mit dem "278er" NGOs zukünftig pauschal kriminalisiert werden können. Und bereits damals haben Juristen die "schwammige Formulierung" des Gesetzes kritisiert. Denn es erlaube bereits in Verdachtsfällen die Aufnahme von Ermittlungen, hieß es.

Im Gesetz wird beispielgebend für die Anwendung vor allem die Bekämpfung von Menschenhandel, unerlaubter Verkehr mit Kampfmitteln oder radioaktiven Stoffen genannt - das Eintreten für staatlich anerkannte Werte wie den Tierschutz allerdings nicht.

Das hat man bereits vor drei Jahren gewusst und trotzdem wurden den Haftbeschwerden vonseiten des Oberlandesgerichts im Juli 2008 kein Gehör geschenkt und die U-Haft der im Mai inhaftierten Tierschützer wegen "Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr" verlängert. Der Großteil wurde erst am 2. September 2008 enthaftet. Am 2. März 2010 begann schließlich der Monster-Prozess gegen 13 Tierschützer.

Die neuen Forderungen nach einer Reform des "Mafia-Paragrafen" erscheinen nur logisch - zumal der Ausgang des Prozesses die Staatsanwaltschaft in kein gutes Licht stellt. Dass für den Staat eine Handhabe gegen terroristische Vereinigungen durchaus sinnvoll ist, hat zwar das erste Urteil nach Paragraf 278 im Jahr 2009 gezeigt, als der OGH die gegen Mona S. und Mohammed M. verhängten Haftstrafen bestätigte - ihnen wurde die Beteiligung an einem islamistischen Drohvideo vorgeworfen.

Dass mit dem Terrorparagrafen aber auch sämtliche demokratiepolitischen Anliegen der Zivilgesellschaft kriminalisiert werden können - vor allem was das Engagement von Umwelt-, Tierschutz- und Menschenrechtsgruppen betrifft -, ist spätestens mit dem vorliegenden Urteil kaum noch argumentierbar.

Siehe auch:Neue Debatte über Mafiaparagrafen