Den USA droht weiteres Ungemach im Irak. Während selbst US-Politikstrategen die fehlende Vision Washingtons für den Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes bemängeln, fallen am Reißbrett der Strategen Entscheidungen, die geradewegs in neue Konflikte führen. Die USA brauchen dringend militärische Unterstützung und werben daher im Ausland um Truppen. Ihr Ruf wurde auch in der Türkei gehört. Doch noch bevor die Entscheidung Ankaras zur Truppenentsendung gefallen war, brandete im Irak Protest auf.
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Ausgerechnet die im Nachbarland so argwöhnisch beäugten oder gar verhassten Türken sollen einen Beitrag zur Stabilisierung leisten. Washington läuft damit Gefahr, Stabilität auf dem Feld regionaler Interessenpolitik zu opfern. "Das dürfte mehr Probleme schaffen, als es wert ist", sagt David Philips vom New Yorker Council on Foreign Relations. Sein Kollege vom renommierten Zentrum für Strategische und Internationale Studien (IISS), Jon Alterman, warnt davor, die "Symbolik" des Einsatzes zu unterschätzen. Es komme für die USA entscheidend darauf an, die "türkische Rolle so zu definieren", dass sie in die US-Strategie eingebettet sei. Denn im Irak seien die Ängste vor territorialen Ambitionen Ankaras groß.
In der Debatte um die Übertragung der Souveränität auf irakische Institutionen muss die Entscheidung für türkische Helfer vielen Irakern als weiteres grobes Foul Washingtons erscheinen. Bereits einen Tag nach der Abstimmung im türkischen Parlament drängten Vertreter des Regierungsrates die US-geführten Truppen, den Marschbefehl zu untersagen. Türkische Soldaten im Irak verzögerten die "Wiedererlangung der Souveränität", beklagte Regierungsratsmitglied Nasir Shadershi.
Die Fragwürdigkeit und Schwierigkeit der Stationierung wird in der Diskussion um den Transport türkischer Soldaten in den Irak deutlich. Vor allem die nordirakischen Kurden-Gebiete gelten als verbotene Zone für türkisches Militär. In der Vergangenenheit hatte die Türkei mit ihrer eigenen kurdischen Minderheit zu oft Interesse am Nordterritorium des Nachbarlandes erkennen lassen.
Der Argwohn hat tiefe Wurzeln. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert wanderten Kurden nach Armenien und Georgien aus. Der einst osmanische Teil Kurdistans wurde im Widerspruch zum Frieden von Sèvres (1920), der den Kurden erstmals Eigenstaatlichkeit zusprach, dem Irak, Syrien und der Türkei eingegliedert. 1925 und 1937 schlug die türkische Armee größere Aufstände nieder. In der Folge betrieb Ankara eine Politik der Türkisierung der Kurden.
Für die USA erwachsen daraus zusätzliche Probleme. Einerseits muss Washington die türkische Angst vor "Terroristencamps" an der Grenze berücksichtigen, andererseits darf es nicht die demokratisch orientierten Kurden im Irak verärgern, auf deren Hilfe sich der Kampf gegen Ex-Machthaber Saddam Husein stützte.
Die Türkei plant deshalb sogar die Eröffnung eines neuen Grenzübergangs, damit die etwa 10.000 Soldaten auf ihrem Weg in den Zentralirak das Kurden-Gebiet umgehen können. Als mögliche Einsatzgebiete nannte der Generalstab in Ankara die irakische Provinz Salahuddin nördlich von Bagdad oder einen von zwei möglichen Sektoren in der Provinz El Anbar. Salahuddin aber dürfte auf den erbitterten Widerstand der Kurden stoßen, denn die Provinz grenzt an den kurdischen Nordirak.