Nationalrat beschließt Bildungsteilzeit und ein Fachkräftestipendium.
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Wien. Jetzt wollen wieder alle Ideengeber gewesen sein, die SPÖ, der ÖAAB, der Wirtschaftsbund, das BZÖ. Am Dienstag beschloss der Nationalrat einhellig die Einführung einer Bildungsteilzeit sowie eines Fachkräftestipendiums, und fast alle Seiten reklamieren diese Ideen für sich. Weiterbildung für Berufstätige scheint zum innenpolitischen Konsens geworden zu sein.
Das war 1992 noch etwas anders, als erstmals die Bildungskarenz politisch diskutiert wurde. Staatssekretärin Brigitte Ederer (SPÖ) hatte sie eingefordert, doch schon damals machten die Grünen ihren Anspruch auf Urheberschaft dieser Idee geltend. Passiert ist dann aber sowieso lange nichts, erst 1998 wurde in Österreich die Möglichkeit einer Auszeit für Weiterbildung eingeführt.
Die Kreativität der heimischen Politik ist aber ohnehin insofern anzuzweifeln, da die Bildungskarenz schon in den frühen 90er Jahren in zahlreichen europäischen Ländern gang und gäbe war, sie in Schweden sogar schon im Jahr 1975 beschlossen wurde.
Finanziell attraktiver
In Österreich hat es dann auch rund zehn Jahre gedauert, bis die Möglichkeit der beruflichen Weiterbildung auf größeres Interesse gestoßen ist. "Es war eher ein Minderheitenprogramm", erklärt Marc Pointecker, Arbeitsmarktexperte im Sozialministerium. Bis 2008 hatten durchschnittlich nur 1500 Arbeitnehmer jährlich von der Weiterbildungsmöglichkeit Gebrauch gemacht, mit der letzten großen Gesetzesänderung vor fünf Jahren ist das Interesse dann explodiert. 2010 und 2011 waren es schon mehr als 6000, im Vorjahr mehr als 8000 Angestellte, die in Bildungskarenz gegangen sind. Sie erhalten während ihrer Auszeit (zwei bis zwölf Monate) eine monatliche Zahlung in Höhe des Arbeitslosengeldes, vor 2008 lag das Weiterbildungsgeld noch deutlich darunter.
Neue Möglichkeiten
Eine Evaluierungsstudie vom Institut für höhere Studien (IHS) offenbarte vor zwei Jahren, dass es eine sehr heterogene, schwer fassbare Gruppe sei, die Bildungskarenzzeiten in Anspruch nimmt. Doch immerhin konnte das IHS herausfinden, wer nicht angesprochen wurde: Einerseits Ältere, "obwohl sie ursprünglich für diese entwickelt und umgesetzt wurde", heißt es in der Studie, andererseits "Personen ohne formale Abschlüsse, obwohl aus manchen Evaluierungen aus anderen Ländern (Schweden, Schweiz) zu schließen wäre, dass diese Gruppe am ehesten und deutlichsten profitieren könnte".
Mit der Möglichkeit der Bildungsteilzeit sowie eines Fachkräftestipendiums wurde das Weiterbildungsangebot nun erweitert. Bei der Bildungsteilzeit ist eine Reduktion der Arbeitszeit um mindestens 25 und maximal 50 Prozent vorgesehen, dafür kann man weiterarbeiten und weiterverdienen - zusätzlich zum Weiterbildungsgeld, das bei dieser Variante freilich deutlich geringer ausfällt. Das Fachkräftestipendium richtet sich an jene, die eine mittlere oder gar geringe Qualifikation aufweisen und sich Weiterbildung nur schwer leisten können. Verwendet werden kann das Stipendium für eine Höherqualifizierung in Mangelberufen oder im Pflegebereich.
Auch bei der klassischen Bildungskarenz wurden Anpassungen durchgeführt. Um Missbrauch vorzubeugen, erhalten nur noch jene Weiterbildungsgeld, die mehr als geringfügig beschäftigt waren, bei universitären Studien ist ab Sommer ein Leistungsnachweis (acht Semesterwochenstunden oder 16 ECTS-Punkte) zu erbringen. Bisher reichte lediglich die Inskription als Nachweis für eine Weiterbildungsmaßnahme.
Keine Empfehlung vom IHS
Laut IHS-Studie bewerteten die Personen, die die Bildungskarenz in Anspruch genommen haben, diese als positiv - und zwar weitaus positiver als die "objektiven Ergebnisse hinsichtlich der quantitativen Indikatoren zu Beschäftigung und Einkommen" belegen würden, heißt es in der Studie.
Im Untersuchungszeitraum von 2001 bis 2009 konnte das IHS keine wesentlichen Zuwächse gegenüber der jeweiligen Vergleichsgruppe finden, dafür hatten sie wesentliche Kosten in Form von Einkommensminderungen und Kursgebühren zu tragen. "Unter arbeitsmarkpolitischen Gesichtspunkten stellt sich die Frage, inwieweit die Förderung von längeren Erwerbsunterbrechungen sinnvoll ist." Das IHS ist scheinbar kein Fan.