Bologna-Prozess soll in Europa bis 2010 umgesetzt sein. | Man will Mobilität der Studierenden | | Wien. Die Wiener Wirtschaftsuni ist am schnellsten: Im kommenden Wintersemester werden alle Studienanfänger in das dreijährige Bachelorstudium einsteigen. Damit ist das vierjährige Magisterstudium endgültig passé. Die europaweite Umstellung auf die neue Studienordnung findet auch an anderen Unis statt. Die Uni Wien hofft bis zum Jahr 2008 das gesamte Studienangebot auf die neue Struktur umgestellt zu haben. Der Umstellungsprozess soll laut Bologna-Erklärung bis 2010 abgeschlossen sein.
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Begonnen hat alles im Jahr 1999 mit der Unterzeichnung der Bologna-Erklärung von damals 29 europäischen Staaten. Mittlerweile haben sich 16 weitere Länder, darunter die Türkei, Russland, der Heilige Stuhl, Armenien, Aserbaidschan und die Ukraine, dem Bologna-Prozess angeschlossen. Ziel dieses Prozesses ist die Herstellung eines europäischen Hochschulraums mit einer vergleichbaren Studienstruktur, die den Studierenden zu mehr Mobilität verhilft und die Jobchancen der Absolventen in ganz Europa steigert.
Studenten anderer Kontinente sollen ebenfalls vermehrt nach Europa gelockt werden. Wesentlicher Bestandteil des Bologna-Prozesses ist die eine europaweit einheitliche Studienordnung, bestehend aus Bachelor, Master und PhD.
Eigene Wege: Lehramt, Medizin und Jus
Österreichs Universitätsgesetz 2002 sieht vor, dass künftig alle neuen Studien zum Bachelor und Master führen. Einzige Ausnahme bilden die Lehramtsstudien und alle medizinischen Studien, die sich weiterhin an die alten Strukturen halten. Ob die bereits bestehenden Studien dem neuen Modell angepasst werden sollen, wird den Unis selbst überlassen. Da keiner aus dem Uni-Netzwerk ausgeschlossen sein möchte, gliedern sich freilich alle - mit Ausnahme von Jus - in die neue Studienordnung ein.
"Weltweit sind 75 Prozent alle Universitätsstudien Bachelor- und Masterstudien", sagt Gottfried Bacher, Bologna-Kontaktperson im Bildungsministerium. "Daran hat man sich in Europa orientiert." Drei Jahre Bachelor- und zwei Jahre Masterstudium sind vorgesehen. Alle bisherigen Magisterabschlüsse sollen dem Master gleichwertig behandelt werden. "Der neue Studienplan ist besser durchstrukturiert, Auslandsaufenthalte sind bereits eingeplant", meint Bacher.
Vor allem mehr Flexibiltät soll das Konzept den Studenten bringen. Nach dem Bachelorstudium steht es jedem frei, für welches Masterstudium er sich bewerben möchte. "Das Masterstudium ermöglicht vor allem eine Spezialisierung", sagt Bacher. Die Zahl der angebotenen Masterstudien wird erheblich höher sein als die der Bachelorstudien.
Die Wirtschaftsuni hat zur Zeit einen Plan für fünf Bachelor- und sechs Masterstudien (Wirtschaftswissenschaft, Wirtschaftspädagogik, Information Systems, Supply Chain Management, Marketing und Wirtschaftsrecht) ausgearbeitet. Weitere Masterstudien sind geplant. Wer andere Masterstudien sucht, kann sich an anderen Unis in Österreich oder ganz Europa danach umsehen. "Natürlich verschafft der Bachelor kein Recht für jedes beliebige Masterstudium", so Bacher. "Man muss den Bachelor an der jeweiligen Stelle einreichen. Danach wird beschlossen, ob der Student gewisse Lehrveranstaltungen nachholen muss."
Wird Studiendauer im Durchschnitt kürzer?
Gottfried Bacher meint, dass die durchschnittliche Studiendauer in Zukunft sogar kürzer werden wird. Zur Zeit leiden viele EU-Länder unter einer zu langen Studiendauer und einer hohen Zahl von Studienabbrechern. "Beispielsweise an der WU brauchen die Studenten durchschnittlich 14 Semester bis zum Abschluss, also fast das Doppelte von der vorgesehenen Studiendauer." Dem soll das Bachelor-Studium abhelfen. Es ermöglicht schon nach drei Jahren europaweit den Einstieg ins Berufsleben. "Wer will, kann danach mit praktischen Erfahrungen ins Masterstudium einsteigen", sagt Bacher.
Mehr Einheitlichkeit erhofft sich Europa auch von der Einführung des PhD (Philosophiae Doctor), den man als Master durch ein dreijähriges Doktoratsstudium erwerben kann. Zur Zeit sind die Doktoratsstudien in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich strukturiert. Die Einigung auf Mindeststandards soll auch hier mehr Mobilität ermöglichen. Ziel ist es, eine bessere Betreuung der Studierenden zu ermöglichen. Die Doktoranden werden stärker an Uni und Forschung gebunden, der wissenschaftliche Nachwuchs soll besser gefördert werden. Bis zur Einführung des PhD, wird noch etwas Zeit vergehen. Bereits jetzt ist klar, dass der bisherige Doktor dem PhD nicht gleichwertig sein wird. In den USA ersetzt der PhD de facto die Habilitation.
ECTS-Punkte machen
Studien vergleichbar
Um den Wechsel zwischen europäischen Hochschulen zu erleichtern, wurde das European Credit Transfer System (ECTS) eingeführt. Durch den Erwerb von europaweit üblichen Credits können Studienleistungen leichter an anderen Unis angerechnet werden. Für jedes Studienjahr sind 60 Credits vorgesehen. Neu ist, dass die Zuordnung der Credits nach der Arbeitsbelastung der Studenten berechnet wird. Aufgrund der Informationsaufbereitung durch ECTS werden Studien europaweit vergleichbar.
Der Abschied von liebgewonnen Titeln fällt nicht allen leicht. Die Juristen halten den Bachelor nicht für sinnvoll, da es für eine dreijährige juristische Ausbildung keinen Posten in der Berufswelt gibt. Hingegen bietet die Wirtschaftsuniversität schon ein Bachelorstudium für Wirtschaftsrecht. An der Uni Wien werden zur Zeit 23 Bachelor- und 33 Masterstudien angeboten. Am längsten wird die Umstellung in Psychologie und Pharmazie dauern, wo man erst im Jahr 2008 soweit sein wird. Eines ist sicher: Die Umstellung ist aufwändig. Über ihren Nutzen wird man in zehn Jahren mehr sagen können.