)
Deutschland, Frankreich geben Widerstand auf. | Kontrollen, wenn Länder Überwachung nicht schaffen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Brüssel. Ein stufenweiser Beitritt von Bulgarien und Rumänien zum grenzenlosen Schengenraum steht offenbar recht bald bevor. Der Innenminister des derzeitigen EU-Vorsitzlandes Polen, Jerzy Miller, bestätigte am Mittwoch, dass ein Kompromiss erzielt worden sei. Im Oktober könnten die Grenzkontrollen an den Flughäfen wegfallen, im Sommer 2012 - nach den Wahlen in Frankreich - dann auch an den Landgrenzen, skizzieren Experten.
Auf diese Linie sind inzwischen auch die Regierungen in Berlin und Paris eingeschwenkt. Der letzte Unsicherheitsfaktor bleiben die Niederlande. Sie wollen den Schengenbeitritt weiterhin an die Erfüllung aller EU-Standards in der Justiz und im Kampf gegen die Korruption knüpfen, welche die beiden jüngsten EU-Länder immer noch nicht vollständig erfüllen. Diplomaten halten es aber für ziemlich wahrscheinlich, dass der niederländische Vertreter beim Innenministertreffen in zwei Wochen isoliert und sein Veto daher nicht aufrechterhalten werde.
Als neue Vorsichtsmaßnahme soll die Kommission dafür nach mehrmaligen Ermahnungen Kontrollen an den Binnengrenzen gegenüber jenen Schengenländern wiedereinführen dürfen, die es nicht schaffen, die Außengrenzen ordentlich zu überwachen. Experten der EU-Grenzschutzagentur Frontex sollen das immer wieder unangekündigt überprüfen. Diese Weiterentwicklung des Schengensystems geht auf einen deutschen Vorschlag zurück, der auch im Lichte des kompletten Versagens Griechenlands bei der Außengrenzkontrolle zur Türkei vor rund einem Jahr aufgebracht wurde.
Kommission will über Kontrollen entscheiden
Der neue Sicherheitsmechanismus ist teil eines Gesetzespakets, das Innenkommissarin Cecilia Malmström nächste Woche vorstellen will. Zusätzliche Brisanz hatte das Thema durch den Grenzkontrollstreit zwischen Italien und Frankreich wegen der Migration aus Tunesien im Frühjahr und dann die verschärften Zollkontrollen der Dänen erhalten.
Daher schlägt die Kommissarin auch vor, dass Schengenländer die Brüsseler Behörde künftig um Erlaubnis fragen müssen, falls sie ihre Binnengrenzkontrollen vorübergehend wieder einführen wollen. Nach derzeit gültiger Rechtslage dürfen die Staaten darüber selbst entscheiden, wenn vorhersehbare Großereignisse wie eine Fußballeuropameisterschaft anstehen oder akut die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit durch offene Grenzen gefährdet wäre.
Im Akutfall müsste die Kommission künftig nach spätestens fünf Tagen eine Verlängerung der Grenzkontrollen genehmigen, bei Großereignissen vorab. Entschieden werden solle darüber im sogenannten Komitologieverfahren, heißt es in Malmströms Gesetzesentwürfen, die der "Wiener Zeitung" vorliegen. Dabei findet zwar eine Abstimmung der Mitgliedstaaten auf Beamtenebene statt, und eine qualifizierte Mehrheit müsste der Einführung der Grenzkontrollen zustimmen. In der Praxis setze sich aber fast immer die Kommission durch, hieß es in Diplomatenkreisen.
Die Reaktionen auf Malmströms Vorschläge sind daher geteilt. Den Sicherheitsmechanismus finden die meisten gut, bei Großereignissen erst um Erlaubnis zu fragen, dagegen die wenigsten.
Auch an der Entscheidungsfindung müsse wohl noch gefeilt werden, hieß es. Die Mitgliedstaaten müssten wesentlich stärker eingebunden werden.