Ein Tabu der slowakischen Medienwelt scheint gebrochen: Nicht mehr nur die florierende Hauptstadt Bratislava scheint ein gutes Pflaster für die Nachrichtenbranche zu sein. In den Regionen werden inzwischen eigene Zeitungen gegründet.
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Zum besseren Verständnis: Seit der Eigenständigkeit der Slowakei im Jahre 1993 findet das Geschehen in den Regionen kaum einen angemessenen Niederschlag in der führenden Presse des Landes. Die großen Vier "Sme", "Pravda", "Národná obroda", "Nový den" und die Boulevardzeitung "Nový cas" werden nun einmal in Bratislava verlegt und konzentrieren sich daher in ihrer Berichterstattung auch nahezu vollständig auf Bratislava. Eine Ausnahme bilden allein Spezialmedien wie die im ostslowakischen Presov erscheinende Roma-Zeitung "Romathan"; schließlich leben die meisten der slowakischen Roma in der Ostslowakei.
Hinzu kommt, dass etwa "Sme", mit einer Auflage von täglich rund 80.000 verkauften Exemplaren, die führende Tageszeitung fest in der Hand eines ausländischen Verlags ist. Die "Passauer Neue Presse" hält 49 Prozent an "Sme"; daher kommen viele Vorgaben zu den Inhalten auch direkt aus Bayern. Und dort steht selbstredend vor allem Bratislava im Mittelpunkt des Interesses.
Der Rundfunk ist da schon längst deutlich weiter. "Radio východ" etwa hält seine Hörer auf dem Laufenden über die aktuellen Ereignisse im Osten des Landes. Insgesamt sind in der Slowakei rund 35 Sender zugelassen. Dem Hörfunk wird übrigens von den Slowaken bis heute die größte Glaubwürdigkeit unter den Medien zugemessen. Ihm wird etwa eine wesentliche Bedeutung für die Abwahl des Meciar-Regimes im Jahre 1998 zugeschrieben und damit letztlich auch für den EU-Beitritt der Slowakei. Da die Stationen zudem bis heute überwiegend in rein slowakischen Händen sind, gelten die Berichte aus dem Äther auch als deutlich authentischer als Zeitungsartikel.
Mit 5,5 Millionen Einwohnern wurde der slowakische Markt etwa von den Lehrenden am für die Ausbildung der meisten slowakischen Journalisten bis heute verantwortlich zeichnenden Journalistischen Seminar der Komenius-Universität in Bratislava lange Zeit als zu klein für Eigengründungen von Zeitungen in den Regionen eingeschätzt. Hauptgrund dafür war die schwache Infrastruktur außerhalb der West-Regionen des Landes und damit einhergehend ein so gut wie nicht existierender Werbemarkt.
Anzeigen-Kunden vorhanden
Inzwischen kümmert sich der slowakische Wirtschaftsminister Pavol Rusko aber intensiv darum, Auslandsinvestoren vor allem in den strukturschwachen Regionen Nitra, Presov, Kosice und Banská Bystrica anzusiedeln. Da fast jede Woche neue Verträge mit ausländischen Unternehmen über eine Betriebsansiedlung in der Slowakei unterzeichnet werden, gibt es nunmehr auch potenzielle Anzeigenkunden. Damit scheint es zumindest nicht mehr von vornherein klar, dass regionale Medien zwangsläufig wieder vom Markt verschwinden müssen.
Im durch Auto- und Umwelttechnologie aufblühenden nordslowakischen Zilina etwa gibt es seit mehr als einem Jahr eine täglich erscheinende Gratiszeitung mit umfassendem Nachrichtenteil. Und kurz vor Jahreswechsel ging das erste Exemplar der "Nitraer Nachrichten" in Druck, die das Geschehen in der mittelslowakischen Stadt und ihrer Umgebung dokumentiert.