Der Applaus aus Washington kam rasch: Ein "bedeutender Meilenstein" in der Geschichte des Irak sei diese Parlamentswahl gewesen, sagte US-Präsident Barack Obama. Er und andere lobten, dass sich die Wähler durch Drohungen und Gewalt nicht einschüchtern hätten lassen.
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Bei näherer Betrachtung waren die Iraker allerdings bei den Wahlen 2005 noch hoffnungsfroher. Laut offiziellen Zahlen gingen damals fast 80 Prozent zu den Urnen, diesmal spricht man von rund 60 Prozent - zumindest wieder mehr als bei den Provinzratswahlen im Jänner 2009.
Was tatsächlich neu ist, ist die stärkere Beteiligung der Sunniten an der Wahl. In manchen Bagdader Vierteln sollen sie den Wahltag als Freudenfest begangen haben. 2005 war diese religiöse Minderheit noch wesentlich skeptischer und hat die Wahlen teilweise boykottiert.
Dass sie jetzt mehr Vertrauen in ihre demokratischen Möglichkeiten hat, liegt daran, dass sich die starren Grenzen, die die Parteien über die religiöse Zugehörigkeit definieren, aufzulösen beginnen. Auf der Liste des schiitischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki finden sich auch Sunniten. Der ehemalige Übergangspremier Iyad Allawi, gleichfalls Schiit, hat in seinem säkular orientierten "al-Iraqiya"-Bündnis gar den aktuellen sunnitischen Vizepräsidenten, Tarik al-Hashimi, als Partner. Das hat bei den sunnitischen Wählern, die sich immer wieder über Benachteiligung gegenüber den Schiiten bei der Jobsuche beklagen, offenbar die Hoffnung gefördert, dass bei Iraqiya ihre Interessen besser vertreten werden. Wohl vor allem ihre Stimmen haben das Bündnis, das religiöse Differenzen hintanstellt, laut ersten Trends gestärkt.
Und sogar der monolithische Kurden-Block hat erste Risse bekommen: Die neue Liste Goran ("Wandel"), die sich Allianzen auch mit Nicht-Kurden vorstellen kann, dürfte zugelegt haben, ohne freilich die beiden großen kurdischen Parteien gefährden zu können.
Neu sind die Akteure allerdings hier wie in anderen Bereichen nicht. Goran besteht vor allem aus ehemaligen Mitgliedern der Patriotischen Union Kurdistans von Staatspräsident Jalal Talabani. In Allawis Regierungszeit, der 2004 von den USA als Übergangspremier eingesetzt worden war, sollen sich einige seiner Kabinettsmitglieder übermäßig bereichert haben - keine guten Voraussetzungen für den Kampf gegen die allgegenwärtige Korruption, die den Bürgern neben der Sicherheit das wichtigste Anliegen ist.
Ein wirklicher Neustart ist diesmal also nicht zu erwarten. Ohnehin ist klar, dass die Schiiten, die mit 60 Prozent die Bevölkerungsmehrheit stellen, die tonangebende Gruppierung bleiben werden. Welchen Einfluss dabei die strikt Religiösen um den Schiiten-Prediger Muktada al-Sadr haben werden, die sich immer stärker dem Iran annähern, ist erst nach den wohl langwierigen Verhandlungen zur Regierungsbildung zu beantworten.
Siehe auch:Politische Zersplitterung im Irak