So, wie es derzeit aussieht, läuft alles auf eine Neuauflage der rot-schwarzen Koalition hinaus. Dass es diesmal auch arbeitstechnisch klappen könnte, ist nicht unwahrscheinlich. An den Spitzen der beiden Parteien stehen mit Werner Faymann und Josef Pröll zwei, die persönlich gut miteinander können. Dass sie in ihrer Funktion als Regierungskoordinatoren des Kabinetts Alfred Gusenbauer gescheitert sind, lag weniger an ihrem Unvermögen, als an den dauernden Querschüssen aus den Parteizentralen. Dennoch dürften die Verhandlungen lang und zäh werden.
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Zum einen muss sich Neo-ÖVP-Chef Pröll zuerst klar werden, ob sich eine Regierungsbeteiligung für seine Partei überhaupt auszahlt, oder ob sie auf Kosten der Profilierung Faymanns aufgerieben würde. Schließlich gibt es auch zahllose inhaltliche Differenzen zwischen den beiden nicht mehr so großen Großparteien, die wesentlich zum Scheitern der letzten Zusammenarbeit beigetragen haben. Diese sind mit dem Wechsel an der ÖVP-Spitze, dem wohl noch einige Personalrochaden bei den Schwarzen folgen werden, nicht verschwunden.
Ist noch Geld für eine Steuerreform übrig?
Einer der Zankäpfel der letzten eineinhalb Jahre war die Steuerreform. Seit Februar forderte die SPÖ ein Vorziehen auf 2009, ebenso lange sagte die ÖVP Nein. Mittlerweile hat die Zeit neue Fakten geschaffen: 2009, das hat kürzlich auch Faymann eingestanden, geht sich einfach nicht mehr aus.
Nach den milliardenschweren Beschlüssen der letzten Nationalratssitzung vier Tage vor der Wahl stellt sich nun die Frage, ob denn überhaupt noch ausreichend Geld für eine umfangreiche Steuerreform da ist. Die letztwöchigen Beschlüsse kosten knapp drei Milliarden Euro. Ebenso viel veranschlagt die ÖVP für die Reform.
Ein mögliches Szenario für die Verhandlungen wäre nun, dass die ÖVP von Faymann die Rücknahme von einigen Beschlüssen fordert (wobei sie selbst ja einen Großteil der teuren Maßnahmen selbst mitbeschlossen hat). Faymann kann einer solchen Forderung unmöglich entsprechen, ohne wie sein Vorgänger Gusenbauer als Umfaller dazustehen, der von der ÖVP über den Tisch gezogen wird.
Heftig umstritten war zwischen Rot und Schwarz auch der Bildungsbereich - als Stichwort soll hier das ewige Streitthema Gesamtschule genügen.
Studiengebühren und Bildungsfragen
Schwer beleidigt ist die ÖVP zum Beispiel über die Abschaffung der Studiengebühren, die die SPÖ gemeinsam mit FPÖ und Grünen durchgezogen hat. Hier ist noch unklar, ob die ÖVP die Wiedereinführung zur Koalitionsbedingung machen wird oder nicht. Die Bildungssprecherin sagt Ja, Wissenschaftsminister Johannes Hahn will sich noch nicht festlegen. Sollte die ÖVP auf einen Studienbeitrag bestehen, bleibt Faymann wieder nichts anderes übrig, als die Gespräche zu beenden.
Bei Entlastung und Studiengebühren kann Faymann von seiner Position nicht abweichen. Hier ist Bewegung auf Seiten der ÖVP gefragt, soll die Koalition gelingen. Sie könnte jedoch von der SPÖ Entgegenkommen in anderen Punkten verlangen, etwa bei der Pensionsautomatik. Diese hatte schon Wilhelm Molterer im Sommer zur Koalitionsbedingung gemacht. Ganz unmöglich ist eine Einigung nicht, schließlich gab es bereits einmal eine gemeinsame Vorlage, ehe die SPÖ zurückzog. Mit etwas mehr Sensibilität hätte die ÖVP damals sicher mehr erreicht, als mit dem Vorschlaghammer, mit dem man die Einigung von Sozialminister Erwin Buchinger und Arbeitsminister Martin Bartenstein durchboxen wollte.
Bei der EU kann die ÖVP nicht nachgeben
Keine Flexibilität seitens der ÖVP darf sich die SPÖ in der EU-Frage erwarten. Hier verlangt die Volkspartei eine bedingungslose Rückkehr zum gemeinsamen Konsens des Jahres 2007. Verhandlungsbereitschaft darf man hier von den Schwarzen nicht erwarten, schließlich steht ihre Reputation als Europapartei auf dem Spiel.
Doch auch für Faymann ist das Thema verzwickt. Einerseits würde eine Abkehr vom neuen Anti-EU-Kurs à la "Kronen Zeitung" parteiintern wohl kaum auf Protest stoßen, vielmehr jene überzeugten Europäer in der SPÖ besänftigen. Andererseits müsste sich Faymann dann von Dichands Massenblatt und der FPÖ den Umfaller-Vorwurf gefallen lassen.
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