Zum Hauptinhalt springen

Neue Kurz-Liste bringt Neos unter Druck

Von Jan Michael Marchart

Politik

ÖVP-Chef Kurz fischt auch im Neos-Teich. Nicht nur deswegen steht die Existenz der Partei auf dem Spiel.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Eine eigene Liste "Sebastian Kurz" dürfte für die Neos in mehrerer Hinsicht gefährlich sein. Die Pinken kämpfen mit der ÖVP um das liberale Bürgertum, Kurz wird im Wahlkampf unter dem Label "neue Volkspartei" eine Reformbereitschaft inszenieren, von der sich auch die 2013 ins Parlament eingezogenen Neos beseelen lassen.

Es geht darum, das verstaubte Image der ÖVP abzustreifen. Die Gründung der Neos war auch eine Folge davon, ein Gutteil der Mannschaft kommt nach wie vor aus dem Stall der Volkspartei. Die beiden Parteien stehen also auch personell in einem Konkurrenzverhältnis, und die Geschichte könnte sich nun umkehren. Kurz soll Neos-Mandatar Sepp Schellhorn das Amt des Wirtschaftsministers angeboten haben.

Schellhorns Kammerkritik

Neos-Chef Matthias Strolz zürnte deswegen am Sonntag auf dem sozialen Netzwerk Twitter: "Und Sebastian Kurz, hör endlich auf, unsere Leute durchzutelefonieren. Ist schamlos und intrigant, wie gegen Mitterlehner. Lasst uns da draußen!". Wenig später gab Strolz auf Facebook eine längere Erklärung ab. Demnach habe Kurz in den vergangenen Tagen "mit (fragwürdigen) Angeboten intensiv versucht", Neos-Mandatare abzuwerben. Strolz sprach von "Intrige und Hinterhalt als Methode". Bei persönlichen Gesprächen in den vergangenen Tagen habe Kurz gegenüber Strolz nichts davon erwähnt.

Bisher ist nur der Name Schellhorn auf Kurz’ Neos-Einkaufsliste durchgesickert. Weitere Namen nennt Strolz nicht. Schellhorn jedenfalls bestätigte ein Angebot des designierten ÖVP-Chefs. Er schloss aber ein Antreten für die Liste Kurz aus. Schellhorn werde auch bei einer Neuwahl für die Neos kandidieren. Kurz’ Interesse an Schellhorn ist aber insofern interessant, weil dieser mit historischen Konventionen der Volkspartei bricht.

Wirtschaftsliberale Elemente gab und gibt es zwar auch in der ÖVP, schließlich kommt Schellhorn selbst von den Schwarzen, er war Präsident der Hoteliersvereinigung, die der ÖVP nahesteht.

Alte Pläne: Kurz-Neos-Plattform

Was das Staatsverständnis betrifft, ist die ÖVP mit ihren Bünden und der (schwarzen) Wirtschaftskammer als Teil der Sozialpartnerschaft allerdings dann doch weit entfernt von liberalen Idealen - und von den Vorstellungen Schellhorns, der die Wirtschaftskammer als "Geldspeicher" bezeichnet hat. Man müsste "zu Themen wie Zwangsmitgliedschaft oder Gewerbeordnung bei jedem ÖVPler den Reset-Knopf drücken", sagte Schellhorn zum "Standard".

Eine Debatte darüber, die liberalen Kräfte zu einen, gibt es zwischen den Neos und Kurz schon länger. Mitte des Vorjahres ist intensiv daran gearbeitet worden. Damals soll es zwischen Kurz, den Neos und der unabhängigen Ex-Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griss Gespräche gegeben haben. Es soll auch über eine gemeinsamen Wahlplattform diskutiert worden sein. Die "Presse" berichtete damals, dass die Neos bereit gewesen wären, auf eine eigene Kandidatur zu verzichten und mit Kurz gemeinsam in die Wahl zu gehen. Griss sollte der Kitt für die beiden Lager sein. Das Experiment scheiterte, auch weil Kurz die traditionellen Strukturen der ÖVP noch nicht entsprechend zurückdrängen konnte. Das hat Kurz am Sonntag geschafft. Jetzt dürfte er die einstigen Pläne selbst in die Hand nehmen. Zumindest, was Griss betrifft. Diese trat aber im Rahmen des "Bürgerforums" der Neos mit Strolz noch am Montag in Baden bei Wien auf. Griss hält sich ob ihrer Zukunftspläne weiter bedeckt.

Es ist kein Geheimnis, dass sowohl Kurz als auch die Neos Griss gerne in ihrem Team hätten. Für die Neos könnte Griss jener Impuls sein, den die Partei braucht, um bei einer Nationalratswahl im Parlament zu verbleiben. Angesichts eines zu erwartenden Dreikampfs zwischen Christian Kern, Sebastian Kurz und HC Strache um die Kanzlerschaft könnte eine Dynamik einsetzen, die den Oppositionsparteien generell und den Neos im Speziellen schadet.

Schafft es Kurz, den restriktiven Kurs in der Migrationspolitik mit liberalen wirtschaftspolitischen Positionen (im Moment ein völlig weißer Fleck beim Außenminister) zu verbinden, dann bleibt für die Pinken wohl nur noch die Hoffnung auf schwache Grüne. Mit der Ökopartei kämpfen sie vor allem in den Städten um die Gunst des Bürgertums, das eher schwach ausgeprägt ist.

Am Existenzminimum

Mit fünf Prozent sind die Pinken im Jahr 2013 ins Parlament eingezogen, viel Luft zur Vier-Prozent-Hürde ist daher nicht. Bei fünf Landtagswahlen schafften sie nur in Wien und Vorarlberg den Einzug. Die enttäuschten Liberalen der ÖVP anzusprechen, hat nur dort besser funktioniert. Auf die Christdemokraten am Land können die Neos nicht zählen. Vielleicht auch, weil der inhaltliche Kern der Neos nach wie vor ambivalent ist? Für marktliberale Forderungen wie die Wasserprivatisierung oder die Abschaffung der Wohnbauförderung werden die Neos geprügelt. So blieb es bei der Strategie, im urbanen Bereich mit gesellschaftsliberalen Positionen zu punkten.

Im Wiener Wahlkampf 2015 beispielsweise fehlte der Partei aber ein Alleinstellungsmerkmal. Vielmehr hatten ihre Aussendungen einen eher grün-alternativen Touch. Die Zwei-Klassen-Medizin wurde genauso angeprangert wie die Asylpolitik der FPÖ, das blaue Feindbild wurde mindestens so stark bedient wie von den Grünen. Außerdem wurden die Neos nicht müde, gegen den rot-schwarzen "Filz" zu wettern. Auch kein Alleinstellungsmerkmal. Beim Dauerbrenner Sonntagsöffnung blieben sie hingegen eine klare Position schuldig.

Auch das Liberale Forum hatte sich einst stark auf linksliberale Gesellschaftspolitik konzentriert. Der liberale Vorgänger hielt immerhin zwei Legislaturperioden durch. Dann war aber Schluss.