Die Komplementärmedizin genießt bei Krebspatienten einen hohen Stellenwert - einzelne Methoden gelten als erfolgreich.
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Die Nebenwirkungen von Krebstherapien beeinflussen die Lebensqualität von Patienten massiv. Viele Betroffene wünschen sich eine Linderung und setzen schon seit vielen Jahren vielfach erfolgreich auf komplementäre Methoden. "Ziel ist die Heilung - wenn möglich -, die Minderung und vor allem die Reduktion der Nebenwirkungen, um die Lebensqualität zu verbessern", betonte der Gynäkologe und Komplementärmediziner Leo Auerbach vom Wiener AKH zuletzt im Rahmen einer Ärztefortbildung. Doch liegen für eine große Zahl der Therapiemöglichkeiten nach wie vor nur wenige Studiendaten vor. Seit einem Jahr existiert für den deutschsprachigen Raum eine neue S3-Leitlinie, die evidenzbasierte Empfehlungen zu komplementären und alternativen Methoden in der Onkologie auflistet, nach denen sich behandelnde Ärzte orientieren können. Dabei nimmt nicht nur die Misteltherapie einen hohen Stellenwert ein.
Die Empfehlungen der Leitlinie sind in vier Themenbereiche gegliedert. Der erste Abschnitt widmet sich der wissenschaftlichen Datenlage zu sogenannten "medizinischen Systemen" in der Onkologie. Dabei werden etwa die Akupunktur, die Akupressur, die anthroposophische Medizin und die Homöopathie genannt. Im zweiten Bereich legt die Leitlinie die Evidenz zu "Mind-Body-Verfahren" dar - etwa Meditation, Mindfulness-based Stress Reduction, Tai Chi, Qigong und Yoga.
Bestandteil der Medizin
Im dritten Kapitel sind die "manipulativen Körpertherapien" in der Onkologie beschrieben. Dazu zählen etwa die Chirotherapie, die Osteopathie oder die Cranio-Sacral-Therapie. Der vierte Themenblock, der vor allem in Österreich einen hohen Stellenwert in der Behandlung von Krebserkrankungen hat, sind die "biologischen Therapien". Dabei handelt es sich vor allem um den Einsatz von Vitaminen, Mineralstoffen, sekundären Pflanzenstoffen und speziellen Ernährungsweisen.
Für manche der Maßnahmen sprechen die Autoren der Leitlinien - darunter Komplementärmediziner und Onkologen - unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Datenlage klare Empfehlungen aus. Von manchen Methoden wird in der Auflistung auch klar abgeraten.
Auerbach hofft, dass mit der Leitlinie die Komplementärmedizin in der Onkologie verstärkt an die Patienten herangetragen wird und Aufklärung stattfindet. Zudem sieht er eine Chance, dass sie wieder stärker in das Medizinstudium eingebracht werden könnte. "Letztlich ist sie ein Bestandteil der medizinischen Fähigkeiten - so oder so."
Die S3-Richtlinie beschäftigt sich primär mit der Lebensqualität und der Verträglichkeit von Therapien und nicht mit der Frage, welche Verfahren die Überlebenszeit verlängern oder eine Tumorremission erreichen könnten. Dazu gebe es noch zu wenige Studien, die darüber Aussage geben könnten. Sehr gut beschrieben ist mittlerweile die Misteltherapie. Hierzu gibt es bereits rund 22.000 Arbeiten.
Zum Zeitpunkt der Diagnose einer Krebserkrankung sind die Patienten für gewöhnlich beschwerdefrei und haben kaum "so gut wie nie Beschwerden durch den Tumor", erklärt die Allgemein- und Integrativmedizinerin Ilse Fleck-Vaclavik. Doch mit der Behandlung werden die Betroffenen in eine Lebensphase gedrängt, in der es ihnen schlecht gehe. Sie erleiden durch die Therapien relativ starke Nebenwirkungen und ihre Lebensqualität nehme deutlich ab. Zum Vorschein kommen etwa Übelkeit, das Fatigue-Syndrom (Müdigkeit), Nervenschädigungen (Polyneuropathien), strahlenbedingte Darmentzündungen, Lymphödeme, Schlafstörungen, Depressionen oder Konzentrationsstörungen.
Tool, um selbst aktiv zu sein
Das führe dazu, dass Patienten zunehmend die Unterstützung der Integrativmedizin suchen. Sie wünschen sich durch eine solche medizinische Begleitung auch eine Stressreduktion und eine Verringerung ihrer Ängste. "Und es ist auch ein Tool, das es einem ermöglicht, selbst aktiv zu sein. Also nicht nur Passagier zu sein, wenn man behandelt wird", so Fleck-Vaclavik. Rund zwei Drittel der Patienten hegen den Wunsch für zusätzliche Maßnahmen.
Eine Möglichkeit stellt die Misteltherapie dar. Diese Pflanze ist eigensinnig und hält sich nicht an die üblichen Gepflogenheiten der Natur. Das macht sich die Onkologie zunutze. Denn die Mistel stimuliert die körpereigene Abwehr gegen Tumorzellen und hemmt zudem ihr Wachstum. Wie in den S3-Leitlinien auch angeführt wird, reduziert sie auch Fatigue und Schmerzen und kann die Stimmung verbessern. Von der Mistel sind mittlerweile mehr als 1.000 verschiedene Inhaltsstoffe erforscht.
Zugelassen ist die Mistel in Österreich für alle soliden Tumoren in allen Stadien und auch während Chemo- und Strahlentherapie, führte die Medizinerin aus.
Je nach Wirtsbaum bekommt die Mistel ihre typische Prägung, aus der die klinische Anwendung abgeleitet wird. Ihre Inhaltsstoffe, allen voran Lektine und Viscotoxine - bestimmt Eiweißstoffe und Gifte -, sorgen für die Wirkung. Lektine regen den Zelltod bösartiger Tumore an, die Viscotoxine sollen Krebszellen auflösen, indem sie ihre Zellwände zerstören, und die Polysaccharide wirken positiv auf das Immunsystem. Daneben tragen die Aminosäure Arginin und sekundäre Pflanzenstoffe zur tumorhemmenden Wirkung bei. Die Freisetzung von Beta-Endorphinen verbessert das Befinden und trägt zur Schmerzlinderung bei.
Misteltherapie und Sport
Vorwiegend kommen Mistelpräparate von Tanne, Eiche, Kiefer und Apfelbaum zum Einsatz. Mistelzweige vom Apfelbaum etwa stimulieren das Immunsystem am stärksten. Die Tannenmistel gilt als schonendste und eignet sich besonders für geschwächte Patienten und für die Begleitung belastender Therapien.
Die Therapie wird in den Leitlinien als Level 1 gewertet - ebenso wie regelmäßige körperliche Betätigung, also Sport. "Er gilt sowohl in der Prävention als auch während der Therapie als wissenschaftlich hochwertig", so Auerbach. Viele andere Therapiemethoden können nicht verallgemeinert als gut oder schlecht gewertet werden, da deren Einsatz von verschiedenen Faktoren, wie unter anderem der Krebsart und der Genese bzw. auch von Begleiterkrankungen, abhängt.