Die bevorstehende EU-Erweiterung könnte sich in Teilbereichen als wahrer Segen für das organisierte Verbrechen erweisen: Das legt zumindest der jüngst veröffentlichte Jahresbericht der EU-Polizeibehörde Europol nahe.
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Die in Den Haag ansässige Stelle schätzt, dass sich die kriminellen Netzwerke innerhalb der Gemeinschaft in den Jahren 2002-2003 von 3.000 auf 4.000 erhöht haben. Europol nimmt an, dass im Durchschnitt jede dieser Organisatione aus 100 Mitgliedern besteht. Das bedeutet: 40.000 Personen sind jetzt schon innerhalb der EU in das organisierte Verbrechen involviert.
Die Polizeikräfte in den EU-Mitgliedsländern stehen jedenfalls vor einer schwierigen Aufgabe: "Es wird zunehmend komplizierter, die illegalen Aktivitäten zu entdecken, zu kontrollieren und Gegenmaßnahmen zu setzen", heißt es in dem Europol-Bericht. "Es ist wahrscheinlich, dass sich dieser Trend in einer erweiterten EU fortsetzt, wenn sich die Banden innerhalb von 25 statt bisher 15 Ländern bewegen können." Technische Möglichkeiten wie die Nutzung von Wertkarten-Handies und decodierten Mobiltelefonen machen die Ausforschung der Täter schwer.
Die Autoren des Berichts weisen auch darauf hin, dass die Behörden-Bestechung in der EU in den kommenden Jahren aller Voraussicht nach ein wachsendes Problem sein wird.
Das Zentrum des organisierten Verbrechens in den derzeitigen Mitgliedsländern ist die Niederlande, während albanische Mafia-Bosse als "eine der Hauptbedrohungen für die EU" eingestuft werden. Das deshalb, weil die Gewaltbereitschaft hier besonders hoch sei. Albaner hätten sich in den letzten Jahren die Kontrolle über ganze kriminelle Geschäftszweige sichern können - wie etwa im Londoner Rotlichtmilieu - konstatiert der Bericht.
Unter den Beitrittskandidaten schenkt Europol vor allem Estland besonderes Augenmerk: Organisierte Banden sollen Kontakte zur russischen Mafia unterhalten und könnten künftig versuchen, Gesetzeslücken, etwa im Bereich von EU-Subventionen, auszunützen. Der letzte EU-Fortschrittsbericht erwähnt außerdem, dass auch in Litauen zu wenig gegen das organisierte Verbrechen unternommen werde.
Diese Probleme werden vom kommenden EU-Vorsitzenden Irland ernst genommen. Heute beginnt in Dublin eine Konferenz zum Thema "Organisiertes Verbrechen innerhalb der EU". Unter den Teilnehmern befinden sich der EU-Kommissar für Justiz, Antonio Vitorino sowie der irische und der holländische Justizminister.