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Ex-Präsident Khatami von Regimetreuen attackiert. | Dutzende verhaftet und geschlagen. | Ahmadinejad leugnet erneut den Holocaust. | Teheran/Wien. Irans Opposition hat am Freitag anlässlich des Jerusalem-Tags wieder ein kräftiges Lebenszeichen von sich gegeben. Am Rande der traditionellen Solidaritätskundgebung für die Palästinenser ist es in Teheran und anderen großen Städten zu brutalen Zusammenstößen zwischen Oppositionsanhängern und Regierungsmilizen gekommen.
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"Es ist alles sehr schnell gegangen. Schon gestern erhielten wir von Anhängern des Oppositionsführers Mir Hossein Moussavi eine Nachricht per Telefon, dass wir heute von sieben verschiedenen Plätzen aus in Teheran ab neun Uhr morgens in Richtung Universität marschieren sollen", erzählt Farbod G. (22) im telefonischen Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Diesem Aufruf sind natürlich hunderttausende Oppositionelle mit grüner Kleidung und grünen Bändern gefolgt. Die Stadt wird aber mittlerweile vom Militär regiert. Überall postieren die Bassij-Milizen, so zahlreich wie Ameisen in einem Ameisenhaufen. Als wir uns am Valy-e-asr Boulevard trafen, schlug eine Gruppe von Hardlinern mit Stöcken auf meine Freunde ein. Einige rannten blutig davon und konnten sich retten, andere wurden in Autos gezerrt und weggeschleppt", schildert der junge Perser.
Mehrere reformorientierte Internetseiten berichteten zudem, dass auch Ex-Präsident Mohammad Khatami, der die Opposition unterstützte, bei den Krawallen angegriffen wurde. Die Anhänger von Präsident Mahmoud Ahmadinejad sollen ihm den Turban vom Kopf genommen und ihn zu Boden gestoßen haben. Erst mit Hilfe von Oppositionsanhängern soll Khatami wieder aufgestanden sein.
Seine Gefolgsleute seien ihm zu Hilfe geeilt und hätten die Angreifer zurückgeschlagen, heißt es weiter. "Wir haben uns alle den Leib aus der Seele geschrien. Lasst die politischen Gefangenen frei, Keine Angst, wir sind alle zusammen, Tod dem Diktator und ähnliche Parolen", erzählt Farbod weiter.
Es war die erste größere Kundgebung der Opposition seit Mitte Juli. Die Polizei hatte die Opposition schon im Vorfeld scharf davor gewarnt, die Veranstaltung für Proteste gegen die Regierung zu nutzen - ohne Erfolg. Die Zahlen über die Verhaftungen schwanken, jedoch ist davon auszugehen, dass mindestens 20 Menschen festgenommen wurden, hinzu kommen hunderte junge Oppositionelle, die geschlagen, gestoßen und niedergeknüppelt wurden.
Der Präsident selbst nutzte den "Jerusalem-Tag", um ungeachtet der Proteste erneut den Holocaust zu bestreiten. Dieser sei "eine falsche Behauptung, ein Märchen, das als Vorwand für Verbrechen gegen die Menschheit" missbraucht werde, sagte Ahmadinejad bei seiner Rede nach dem Freitagsgebet.
Rafsanjani ausgebootet
Letzteres wurde übrigens erstmals nach 26 Jahren am Jerusalem-Tag nicht von Ex-Präsident Ali Akbar Hashemi-Rafsanjani, der nach der Wahl die Opposition unterstützte, gehalten, sondern vom konservativen Kleriker Ahmad Khatami. Rafsanjani wurde ausgebootet. Dieser Schritt gilt als weiteres Indiz dafür, dass die Hardliner rund um den geistlichen Führer Ali Khamenei bemüht sind, jegliches Wiederaufflammen der Proteste im Keim zu ersticken.
In einem Interview des Nachrichtensenders NBC hatte Ahmadinejad zuvor den Anspruch seines Landes auf die friedliche Nutzung der Atomenergie bekräftigt. "Wir glauben, dass Atomwaffen der Vergangenheit angehören", erklärte der Präsident dem Sender, "wir brauchen solche Waffen nicht."