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Neue Maßnahmen als Richtungswechsel

Von Simon Rosner

Politik

Die neuen Regeln haben ein gemeinsames Ziel: Die Zahl der Kontakte soll auf ein Minimum beschränkt werden.


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Die Wächter sind in ganz Österreich verteilt, 250 von ihnen. Die Wächter sind ganz normale Arztpraxen, sogenannte "Sentinel Praxen", auf Deutsch eben: Wächter. Ihre Aufgabe ist es, das Infektionsgeschehen in der Bevölkerung frühzeitig zu überwachen, es geht dabei vor allem um die jährliche Grippesaison. Die Ärzte nehmen Abstriche von Patienten, die diese Praxen mit respiratorischen Erkrankungen aufsuchen. Die Proben werden an die MedUni Wien geschickt, dort werden sie auf verschiedene Erreger untersucht, seit März auch auf Sars-CoV-2.

Das Coronavirus wurde auf diesem Weg erstmals in der Woche vor dem Lockdown im März registriert, und zwar in sechs Fällen bei 200 Proben. Dann folgte schon der Höhepunkt mit 18 Corona-Infizierten, ehe die Fallzahlen rasch zurückgingen. Erst im September wurden wieder die Zahlen vom März erreicht, doch es gab doppelt so viele Proben. Vor zwei Wochen ging es dann aber los: Erst stieg die Fallzahl von 21 auf 52, in der Vorwoche auf 83. Und das bei lediglich etwas mehr als 100 abgenommenen Abstrichen. Die Wächter sehen also fast nur mehr Covid-19.

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Der eruptive Anstieg ist ein internationales Phänomen. Vor allem die logarithmischen Darstellungen offenbaren die Gleichzeitigkeit der Entwicklungen in zahlreichen europäischen Ländern. Das ist ein bemerkenswertes Phänomen, da es sich um unterschiedliche Gesellschaften, Regierungen, Strategien, Demografien und vorherrschende Lebensstile handelt. Die Antwort der Politik ist nahezu identisch, da die Spitalskapazitäten zur Neige gehen. Im März war der Anstieg zwar steiler, im Herbst sind jedoch die Fallzahlen höher, weil das Virus überall im Land angekommen ist.

Umso rascher füllen sich die Krankenhäuser und dort auch die Intensivstationen mit Patienten. Am Montag mussten schon 291 Personen intensivmedizinisch behandelt werden, jeden Tag kommen netto derzeit zwischen 25 und 40 Personen hinzu, und diese Zahl wird laut Kurzfristprognosen noch weiter steigen. Setzt sich diese Entwicklung fort, werden in etwa zwei Wochen die Kapazitätsgrenzen erreicht werden.

Der Zeitdruck ist deshalb hoch. Die ab Dienstag geltenden Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung müssen rasch wirken. Das heißt, dass die Reduktion der Sozialkontakte "gründlich und schnell" erfolgen muss, wie die Virologin Monika Redlberger-Fritz von der MedUni Wien sagt. Und es heißt wohl auch, dass sich das Sozialverhalten der Bevölkerung streng an den von der Bundesregierung verordneten Kontaktbeschränkungen orientieren muss.

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Die Verordnungen der Regierung sind nicht einfach eine Verschärfung, sondern sie sind ein Richtungswandel. Es ist wichtig, das zu betonen. Bei Viren, die von Mensch zu Mensch übertragen werden, gibt es zwei nicht pharmakologische Interventionen in der Epidemiebekämpfung. Zum einen die Kontaktbeschränkung, also die Reduktion der Sozialkontakte. Das bietet den wirksamsten Schutz, da nur der Nicht-Kontakt eine Übertragung verhindert. Deshalb auch der Lockdown im März, der dann vor allem ab Mitte Mai gelockert wurde. Im Frühling hatte dieser epidemiologische Schalthebel auch eine große Wirksamkeit (jedoch auch gravierende Nebenwirkungen).

Der Freizeitbereich wird fast zur Gänze heruntergefahren

Danach bediente die Regierung den zweiten Hebel. Die Zahl der Kontakte hat sich über den Sommer weitgehend normalisiert, nicht aber die Art der Kontakte. Mit Abstandsregeln, Maskenpflicht und Hygienegeboten sollte die Wahrscheinlichkeit von Übertragung reduziert werden. Ein so explosiver Anstieg der Fallzahlen wie im März konnte dadurch zwar verhindert werden, nicht aber auf Dauer die Bedrohung des Gesundheitssystems. Deshalb greift eine europäische Regierung nach der anderen wieder nach dem ersten Schalthebel.

Stark beschränkt wird der Freizeitbereich. Das betrifft die Gastronomie, die nur mehr Take-away und Lieferung anbieten darf. Freizeitsport ist nur mehr im Freien und ohne Kontakte (wie kein Fußball) möglich. Tennis, Wandern und gemeinsame Laufrunden bleiben erlaubt. So gut wie alle Veranstaltungen, Messen und Kulturaufführungen werden untersagt und auch private Feiern durch die Ausgangssperre, so gut es verfassungsrechtlich eben geht, beschränkt. Dazu hatte der Hauptausschuss des Nationalrats (mit Stimmen von ÖVP, Grünen und SPÖ) die Zustimmung erteilt.

Diese Maßnahmen haben eine Gemeinsamkeit, die im pandemischen Geschehen von großer Bedeutung ist: das Zusammentreffen von mehreren Menschen. Mit drei Ausnahmen sollen Kontakte in Gruppen komplett unterbunden werden. Erstens am Arbeitsplatz, wie das bereits im März der Fall war, wenngleich die Arbeit von daheim empfohlen wird. Zweitens und drittens, und das ist neu, sind Kindergärten, Pflichtschulen sowie religiöse Veranstaltungen ausgenommen.

Es handelt sich dabei um gesellschaftlich herausragende Bereiche. Die Religionsausübung ist, anders als das Martinigansl-Essen, grundrechtlich geschützt, das Recht auf Bildung ebenso. Die Bedeutung der Bildung lässt sich auch darin ermessen, dass sie mit Zwang durchgesetzt wird. Österreich verfügt über eine Unterrichtspflicht. Dennoch hat es in der Regierung Debatten darüber gegeben, ob nicht doch, wie im März, alle Klassen auf Distanzlehre umgestellt werden, nicht nur die Oberstufe, um damit die Zahl der Kontakte weiter zu reduzieren.

In Bereichen des öffentlichen Lebens, in denen Menschen nur kurz zusammentreffen (öffentlicher Verkehr, Handel, Friseur) wird weiter auf eine Senkung der Übertragungswahrscheinlichkeit gesetzt, sie bleiben, wie Schulen und Kirchen, offen. Vorerst zumindest. Denn alles steht und fällt mit der Wirksamkeit der Kontaktbeschränkung.