Die Frage ist, ob die Unzulänglichkeiten des Maßnahmenvollzugs entgegen oder wegen der geltenden Rechtslage bestehen.
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Der österreichische Maßnahmenvollzug leidet seit Jahrzehnten an Unzulänglichkeiten. Am Mittwoch hat sich die Bundesregierung nun über dessen lang diskutierte Reform geeinigt: Psychisch kranke Rechtsbrecher können mit dieser nur noch dann potenziell lebenslang in eine Anstalt eingewiesen werden, wenn das Anlassdelikt mit mehr als drei Jahren (bisher: ein Jahr) Freiheitsstrafe bedroht ist (bei Gefahr für sexuelle Integrität oder Leib und Leben schon ab einem Jahr). Eine Sonderregelung wird für Terroristen in der Rückfallstäter-Kategorie geschaffen. Die am Mittwoch beschlossene Regierungsvorlage soll im Dezember im Justizausschuss des Nationalrats behandelt und anschließend im Plenum beschlossen werden. Anschließend soll ein zweiter Teil der Reform angegangen werden. Dieser umfasst dann die Betreuung im Maßnahmenvollzug selbst.
Ich frage mich jedoch, ob die Unzulänglichkeiten des Maßnahmenvollzugs entgegen oder wegen der geltenden Rechtslage bestehen. Unbestritten ist die Bedeutung eines ausgereiften Vollzugsplans und die Art des Vollzugsorts.
Anhebung der Einweisungsschwelle
Die jahrelang geführte Reformdebatte hatte im Frühjahr 2021 zu einem Ministerialentwurf geführt. Dieser wurde zur Begutachtung mit Frist Anfang Juli 2021 übermittelt. Die Regierungsvorlage sieht nun eine neue Terminologie vor: Statt der "Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher" soll in Zukunft der Begriff "Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum" verwendet werden. Die Formulierung "geistige oder seelische Abartigkeit höheren Grades" ist durch "schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung" ersetzt. Die Kausalität zwischen Störung und Anlasstat beziehungsweise Prognosetat soll deutlicher normiert werden. Es gibt aber keine Ausformulierungen, was neben der Nomenklaturänderung an strukturellen Änderungen vorgesehen ist. Es besteht die Gefahr des Etikettenschwindels.
Das Ziel der Reduktion der Unterbringungszahlen soll durch eine Anhebung der Einweisungsschwelle bei der Anlasstat erreicht werden, um dem Verhältnismäßigkeitsgebot des Art. 3 EMRK gerecht zu werden. Sofern die Anlasstat zwar mit mehr als einem Jahr, aber nicht mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, soll eine Unterbringung nur zulässig sein, wenn die Umstände der Tatbegehung eine besonders hohe Gefährlichkeit des Täters konkret nahelegen. Ich bezweifle den Erfolg dieser Intentionen, denn Sachverständige und Richter fürchten seit jeher eine mögliche Haftung, wenn sie sich in der Einschätzung der Gefährlichkeit eines Straftäters irren. Und deshalb wird die Gefährlichkeit in der Regel zu häufig angenommen. Die typischen Tatbilder für die Anlasstat sind die qualifizierte gefährliche Drohung und der Widerstand gegen die Staatsgewalt.
Mir fehlt in der Vorlage eine Präzisierung der Formulierung "schwere Folgen". Die bedingte Nachsicht der Maßnahme wird durch "vorläufiges Absehen" vom Strafvollzug normiert -denn eine wirkliche Verbesserung wäre doch die Schaffung einer ausreichenden Anzahl von Betreuungseinrichtungen.
Für das Unterbringungsverfahren soll in Zukunft immer das Schöffengericht, bestehend aus zwei Berufs- und zwei Laienrichtern, zuständig sein. Der obligatorisch beigezogene psychiatrische Sachverständige soll während der gesamten Dauer der Hauptverhandlung anwesend sein. Anwesend sein bedeutet aber, dass er die ganze Zeit mit seiner Expertise zur Verfügung steht und das Gehörte in sein Kalkül einbeziehen muss. Das ist aber durch die Gebühr nach § 35 GebAG nicht abgebildet - es müsste die gleiche Gebühr wie für die Befundaufnahme in Rechnung gestellt werden können.
In Hinblick auf die im Vergleich zu anderen Sachverständigen miserable Vergütung hat sich durch die Reform des Gebührenanspruchsgesetzes zwar die Situation etwas verbessert, da nunmehr nach Zeitaufwand abgerechnet werden kann. Allerdings ist die Gebührenverordnung noch immer zum Nachteil der psychiatrischen Sachverständigen geregelt.
Die Empfehlung der Experten, vermehrt klinisch-psychologische Gutachter sowie zwingend sowohl einen psychiatrischen als auch einen klinisch-psychologischen Sachverständigen beizuziehen, wurde bedauerlicherweise in der Vorlage nicht umgesetzt. Denn eine psychiatrische Expertise wäre unbedingt notwendig, und es könnte unter Umständen zu erheblichen Verfahrensverzögerungen kommen, da erfahrungsgemäß zu wenige Sachverständige mit der erforderlichen Expertise zur Verfügung stehen.
Behandlung muss in Krankenanstalt geschehen
Auch die Beauftragung von Sachverständigen im Unterbringungsverfahren führen bei Gericht zu vermeidbaren Problemen, da die Fragestellung nicht auf die Beantwortung von Rechtsfragen gerichtet sein soll. In der Praxis jedoch lautet viel zu oft die Fragenstellung, ob "geistige oder seelische Abartigkeit höheren Grades" beziehungsweise Gefährlichkeit hinsichtlich weiterer Taten mit schweren Folgen vorliegt. Völlig außer Acht gelassen wird die Tatsache, dass die Beurteilung der Schwere einer rechtswidrigen Tat nicht ausschließlich von der Verfassung der Tatperson, sondern auch von vielen oft zufälligen Umgebungsbedingungen abhängt. Oft wird eine Begutachtung schon beauftragt, bevor das Delikt definiert ist (Schwere der Körperverletzung, Häufigkeit einer Tathandlung).
Zum Vollzugsort noch eine praxisbezogene Forderung: Die Behandlung von Tätern gemäß § 21/1 Strafgesetzbuch muss in einer Krankenanstalt vollzogen werden, weil ein Gefangenenhaus dafür völlig ungeeignet ist. Wie im Krankenanstaltengesetz vorgesehen ist dies zwingend mit der Präsenz diplomierten Pflegepersonals und therapeutischen Personals in ausreichender Zahl verbunden, zudem muss zumindest ein Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, der zur selbständigen Tätigkeit berechtigt ist anwesend sein - dies alles rund um die Uhr. Neue Einrichtungen dürften also erst dann eröffnet werden, wenn das Personal dafür vorhanden ist. Alles andere ist nur "more of the same" und eine Fortschreibung der ungenügenden Betreuung in größerem Format.
Tatsächliche Umsetzung wird erfahrungsgemäß dauern
In Ansehung des Grundsatzes der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit ist die Gerichtspraxis, zunächst nur einen psychologischen Sachverständigen mit der Begutachtung des Beschuldigten zu beauftragen, problematisch. Die Befassung von psychologischen Sachverständigen ist auch insofern problematisch, da diese die Indikation und Wirksamkeit von Medikamenten nicht beurteilen können/dürfen. Sie sind auch nicht billiger, weil sie ja nicht wie die Ärzteschaft im Gebührenanspruch pauschaliert sind. Sie sind nur mehr. Der Rückschluss, dass dies vielleicht mit der besseren Bezahlung zusammenhängt, ist eine Überlegung wert.
Mit der tatsächlichen Umsetzung der Reform wird trotz Regierungsvorlage erfahrungsgemäß noch länger nicht zu rechnen sein. Die Umsetzung beinhaltet die Errichtung moderner therapeutischer Zentren und die Neuregelung des Vollzugs (Rechtsschutz) sowie das Verfahren zur Überprüfung der weiteren Anhaltung und des Entlassungsverfahrens. Im Sinne der Gleichstellung und der "Waffengleichheit" sollten die Untergebrachten auch bei der Anhörung zur Möglichkeit einer bedingten Entlassung anwaltlich vertreten sein und die Möglichkeit haben, die Sachverständigen zu befragen.
Es ist wahrlich an der Zeit, dass der Maßnahmenvollzug in eine durchführbare Gesetzesform gegossen wird, um weitere Verurteilungen Österreichs durch den Europäischen Gerichtshof zu verhindern.
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