In der Steinzeit lebte auf der Hauptinsel Luzon mit Homo luzonensis eine eigene Menschenart.
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Luzon. Als Forscher 2007 im Norden der Philippinen den vordersten Knochen einer mittleren Zehe ausgruben, hatten sie das älteste Frühmenschenfossil der Inselgruppe in der Hand.
Seither haben sie in der Callao-Höhle auf der Hauptinsel Luzon weitere zwölf Zähne, Finger-, Fuß- und Oberschenkel-Knochen geborgen. Sie alle sind mindestens 67.000 Jahre alt. Die Funde zeigen, welche Mischung von Eigenschaften einerseits bei Vormenschen auftraten und andererseits typisch für den modernen Menschen sind. Daraus schließen Florent Détroit und seine Kollegen vom staatlichen Naturkundemuseum in Paris, dass die Fossilien zu einer zuvor unbekannten Menschenart gehören, die sie Homo luzonensis oder Luzon-Mensch nennen. Das Team berichtet darüber in "Nature".
"Mich erinnert der Artikel ein wenig an die erste Beschreibung des Homo floresiensis", sagt Jean-Jacques Hublin vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. 2004 hatten Forscher einen Sensationsfund von Menschen mit sehr kleiner Statur auf der indonesischen Insel Flores beschrieben, deren Eigenschaften ebenfalls zu keiner bekannten Menschenlinie passten und die heute als Flores-Menschen weitgehend anerkannt sind.
Luzon und Flores haben vergleichbare Geschichten. Als der Meeresspiegel während der Eiszeiten mehrere Male um bis zu 120 Meter niedriger als heute lag, wurden die flachen Meeresstraßen Südostasiens zu Landbrücken, die das heutige Festland mit einigen indonesischen Inseln verbanden. Tiere und Frühmenschen konnten hin- und herwandern.
Luzon und Flores waren jedoch nie mit den anderen Inseln oder dem Festland verbunden. Nachdem Frühmenschen, wohl auf Flößen, diese Inseln erreicht hatten, lebten sie dort vermutlich recht isoliert. Isolierte Gruppen passen sich an die Bedingungen ihrer Inseln an und können eine Mischung von Eigenschaften entwickeln, die sie von anderen Menschen unterscheiden. "Auf isolierten Inseln können daher rasch eigene Menschenlinien entstehen", erklärt Ottmar Kullmer, Spezialist für die Zähne von Menschen, Frühmenschen, Vormenschen und Menschenaffen am Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt. Die Abgeschiedenheit habe offensichtlich zur Entwicklung eigener Linien auf Flores und Luzon geführt.
Der Stammbaum des Menschen ist ein Stammbusch
Wie aber sehen die Verwandtschaftsverhältnisse aus? "Die Zähne verraten eindeutig, dass der Fund auf der Insel Luzon, wie wir moderne Menschen, zur Gattung Homo gehört hat", schließt Kullmer aus den Daten. Krone und Wurzeln der vorderen Backenzähne des Luzon-Menschen würden allerdings eher jenen der Vormenschen-Gattungen Australopithecus und Paranthropus, die beide vor mehr als zwei Millionen Jahren lebten, ähneln. Die hinteren Backenzähne ließen sich am besten mit jenen des modernen Menschen vergleichen, während Finger- und Fußknochen jenen der Altvorderen aus der Australopithecus-Gattung ähnlicher seien, berichten Détroit und sein Team.
Aus dieser bunten Mischung aus alt und neu sei durch die lange Isolation auf Luzon die neue Menschenlinie entstanden, bestätigen Kullmer und Hublin gleichermaßen die Schlussfolgerungen von Détroit. "Leider gibt es bisher nur sehr wenige Fossilien", erklärt Kullmer. "Wir können das Aussehen des Luzon-Menschen noch nicht rekonstruieren", ergänzt Hublin, und: "Die Entdeckung des Luzon-Menschen zeigt einmal mehr, dass früher eine große Vielfalt verschiedener Menschenlinien gleichzeitig auf der Erde lebte."
Neben dem Luzon-Menschen war vor rund 60.000 Jahren der Flores-Mensch unterwegs. In Sibirien lebten die Denisovaner, in Eurasien die Neandertaler und in Afrika bereitete sich der moderne Mensch auf seine Auswanderung in den Rest der Welt vor. "Eigentlich ist diese Vielfalt nicht so erstaunlich", sagt Hublin. "Auch der Homo sapiens hat in den letzten 100.000 Jahren eine erstaunliche Vielfalt, von den Pygmäen in Zentralafrika bis zu den Inuit im Hohen Norden, hervorgebracht."
Als hingegen vor 1,9 Millionen Jahren die Frühmenschen-Art Homo erectus Afrika verließ, hatte sie mehr Zeit, sich in Europa, Asien und auf Inseln wie Luzon und Flores zu eigenen Linien weiter zu entwickeln. Die Lehrbuch-Meinung eines Stammbaums, in dem sich aus einer Menschengruppe eine weitere entwickelt, aus der später wieder eine neue Gruppe entsteht, überholt sich durch die These eines "Stammbusch". In diesem existieren mehrere Linien nebeneinander, die sich untereinander vermischten und dann teilweise wieder ausgestorben sind.