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Neue Oberbehörde für faire Steuerverfahren

Von Alfred Abel

Wirtschaft

"Wir versuchen derzeit, uns in die neue Situation einzuklinken", sagt der Herr aus der Finanzlandesdirektion, der bisher in steuerlichen Streitverfahren als Berichterstatter tätig war. Die neue Situation kommt durch das neue Steuer-Dogma mit dem sperrigen Titel "Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz", das seit Jahresbeginn 2003 in Kraft ist. Der Kodex ist kein Lesevergnügen für Laien, obwohl er für jeden Bürger, der mit seinem Steuerbescheid nicht einverstanden ist, zum Rettungsanker werden kann.


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Es geht um die sogenannte Zweite Instanz, also um jene Oberbehörde, an die sich jeder Steuerzahler wenden kann, der gegen die Entscheidung einer Finanz-, Zoll- oder Finanz-strafbehörde ein Rechtsmittel einlegt: eine Berufung oder eine Beschwerde. Die oft undurchschaubare Art und Dauer der amtlichen Erledigung solcher Einsprüche, die für Laien schwer verständlichen Handlungen von Senaten oder Einzelbeamten mit oder ohne Weisung von "oben", entsprach freilich schon lange nicht mehr dem Rechtsempfinden vieler "Berufungswerber". Deshalb war die Zeit reif für das "AbgRmRefG", das mehr Demokratie im Steuerverfahren verspricht.

UFS als neue Behörde

Seit Jahresbeginn tritt der neue "Unabhängige Finanz-Senat" (UFS) an die Stelle der bisherigen 2. Instanzen. Er hat den Anstrich eines "Finanzgerichts", ist aber keines; er ist eine Verwaltungsbehörde sui generis und - das ist das absolut Neue - total unabhängig, an keinerlei Weisungen gebunden, auch nicht von "ganz oben".

Der neue UFS agiert immer dann, wenn es gilt, als oberste Instanz Rechtsmittel in Steuer- oder Beihilfensachen, in Zoll- oder Finanzstrafsachen zu entscheiden. Seine Zentrale ist in Wien, und in allen Finanzlandesdirektionen hat er Außen-stellen. Seine Entscheidungen trifft er durch dazu extra zusammengestellte Berufungssenate, die entweder als "Gesamtsenate" auftreten oder die die Arbeit einem Referenten übertragen können, der dann sozusagen als "Einzelrichter" namens des Berufungssenats entscheidet. Das letztere soll der Normalfall sein.

Bis der Einspruch eines Steuerzahlers gegen eine von ihm bekämpfte Entscheidung des Finanzamts beim UFS einlangt, gilt es manchmal erst Hürden zu überspringen. Das Finanzamt (also die 1. Instanz) kann die Berufung selbst mit Berufungsvorentscheidung positiv oder negativ erledigen. Mit Zustimmung des Steuerzahlers kann es sogar zu einer zweiten Vorentscheidung kommen. Ist der "Berufungswerber" mit dem Ergebnis nicht zufrieden (oder will er das Finanzamt total ausschalten), dann muss er in seiner Berufungsschrift oder in einem gesonderten Vorlageantrag verlangen, dass sein Einspruch direkt der Abgabenbehörde 2. Instanz zur Entscheidung vorgelegt wird. Dann landet der Akt beim UFS: beim Berufungssenat, beim Referenten.

Gesamtsenat und Aussprache

Damit sind die Rechte des kämpfenden Bürgers noch nicht erschöpft: Er kann dem einzelentscheidenden Referenten a priori misstrauen und verlangen, dass sich der gesamte Berufungssenat mit dem Einspruch beschäftigt. Dann setzen sich gleich vier Personen mit dem Begehren des Steuer-zahlers auseinander: zwei hauptberufliche Referenten und zwei Laienbeisitzer, die aus dem Kreise der Wirtschaftskammern und der Arbeitnehmervertretungen kommen. (Beim Zoll sind es nur drei "Hauptberufliche").

Der Berufungswerber kann ferner verlangen, dass er persönlich zur Berufungsverhandlung geladen wird, um dort seine Meinung zur Sache zu äußern. Diese mündliche Verhandlung - die übrigens neuerdings öffentlich sein kann - kann sowohl vor dem (Einzel-)Referenten, als auch vor dem Gesamtsenat verlangt werden. Wichtig ist: beide Begehren (die Anrufung des Gesamtsenats und/oder eine mündliche Verhandlung) müssen vom Steuerzahler rechtzeitig beantragt werden: schon in der Berufungsschrift oder im Vorlageantrag.

Bei der mündlichen Verhandlung sieht sich der kämpfende Steuerzahler plötzlich in einer überraschenden Situation. Wie bei Gericht sitzt ihm sein Gegenpart gegenüber: der Vertreter des Finanzamtes, die 1. Instanz. Das Finanzamt be-kommt nämlich in jedem Rechtsmittelverfahren Parteienstellung, kann dort seinen Standpunkt darlegen und ver-teidigen und kann - wenn es im Verfahren unterliegt - per "Amtsbeschwerde" die Entscheidung des UFS sogar selbst vor dem Verwaltungsgerichtshof anfechten. Dies entspricht etwa der früheren Präsidentenbeschwerde, die es nun nicht mehr gibt.

Der Berufungssenat - als Gesamtsenat oder in seinem Namen der Referent - entscheidet in gleicher Weise über das Berufungsbegehren, wie die frühere 2. Instanzbehörde. Der Berufung kann stattgegeben werden, oder sie kann als unbegründet abgewiesen werden.

Der bekämpfte Bescheid kann in jeder Richtung abgeändert (auch verbösert) oder aufgehoben werden oder - bei mangelhaften Ermittlungsverfahren - an die 1. Instanz zurückverwiesen werden. Und der Steuerzahler hat nach einer ihm nicht genehmen Entscheidung die gleichen Rechte zur Anrufung der Höchstgerichte wie bisher.

Neu ist aber, dass nunmehr alle Steuerverfahren vor dem Berufungssenat landen können, also auch jene (wie etwa Lohnsteuer- oder Kapitalverkehrsteuer-Streitsachen), die bisher - ohne Senat - nur in den geheimen Amtsstuben der Oberfinanz entschieden wurden.

Nachholtermin 31. 1. 2003

Bleibt die Frage, wie der UFS mit den inzwischen zu gewaltigen Bergen angewachsenen unerledigten Berufungsakten umgehen wird, die er bei Inkrafttreten des UFS-Gesetzes vorgefunden hat. Diese offenen Verfahren kommen automatisch in den Erledigungskreislauf der neuen Verwaltungsbehörde. Anträge auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung, die vor dem 1.1.2003 gestellt wurden, bleiben dabei weiterhin wirksam.

Anträge auf Entscheidung durch den (neuen) Gesamtsenat müssen allerdings bis 31.1.2003 nachgeholt werden. Der gleiche Schlusstermin gilt, wenn ein Gesamtsenat und/oder eine mündliche Verhandlung in einer Steuersache beantragt wird, für die der (alte) Berufungssenat nicht zuständig war (Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer). Der kurze Termin könnte auch so verstanden werden, dass etwa ab Februar das "operative Geschäft" des neuen UFS langsam anläuft. "Wir versuchen derzeit, uns in die neue Situation einzuklinken," sagt der Herr aus der Finanzlandesdirektion, der bisher Berichterstatter war. Demnächst werden wir ihn wohl als Referenten wieder treffen. Der Wandel vom profiskalischen Saulus zum unparteiischen Paulus wird ihm möglicherweise nicht leicht fallen.