Nach der Präsidentschaftswahl am Sonntag geht die Polarisierung des Landes unter neuen Voraussetzungen weiter.
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Der Präsidentschaftswahlkampf verbreitete Langeweile. Der amtierende sozialdemokratische Präsident Ivo Josipovic und die Gegenkandidatin der HDZ, Kolinda Grabar-Kitarovic, bedienten die großen politisch-ideologischen Lager - sie das national-konservative, er das liberal-sozialdemokratische. Kitarovic berieselte ihre Klientel mit dem fast gebetsmühlenartigen Proklamieren dessen, was sie für ein gutes (nämlich patriotisch-nationalbewusstes) Kroatentum hält. Josipovic war bemüht, seine liberalen Ansätze von Gerechtigkeit zu vertreten und zugleich die Distanz zur ramponierten sozialdemokratischen Regierung und ihrem selbstherrlichen Premier Zoran Milanovic zu halten. Man konnte letztlich von den beiden Kandidaten der Vergangenheit (Grabar-Kitarovic war Außenministerin in Ivo Sanaders Regierung) nicht erwarten, dass sie den Ballast der selbstreferenziellen kroatischen Innenpolitik der Post-Tudjman-Ära ablegen und mit Neuem glänzen. So langweilig, so schlecht.
Die eigentliche Überraschung war das starke Abschneiden des erst 24-jährigen Ivan Sincic im ersten Wahlgang. Vollkommen unbelastet ging er in den Wahlkampf, schrieb sich die Probleme des kleinen Mannes auf die Fahne und wetterte gegen Korruption, Misswirtschaft und Abgehobenheit des politischen Establishments. Dass ihm seine radikale Absage an den politischen Mainstream ganze 16,24 Prozent brachte, sieht er als Vertrauensvorschuss für die Zukunft. Er wird auch bei den heurigen Parlamentswahlen für ein neues Kroatien kämpfen.
Die Kulisse für den eigentlich schon begonnenen Wahlkampf um die politische Vorherrschaft scheint damit klar abgesteckt. Die sozialdemokratische Regierung hat ein enormes Glaubwürdigkeitsproblem und ist zum Teil in der Bevölkerung verhasst. Die HDZ setzt auf unverblümten Nationalismus und trägt zugleich die Last der vergangenen HDZ-Regierung unter Sanader. Sincic als Vertreter einer neuen linken Protestpolitik wird sicherlich erfolgreich sein. Mit der links-liberalen und grünen Partei ORaH von Mirela Holy, die auf nachhaltige Entwicklung als Kern ihrer Politik setzt, ist eine starke Alternative bereits vorhanden.
Egal wie die Entscheidung am Sonntag ausfällt, in Kroatien wird es nach den nächsten Wahlen keine Regierung ohne die Beteiligung der neuen politischen Kräfte geben können. Und das ist vermutlich gut so. Trotz des EU-Beitritts wurden Strukturreformen und ein nachhaltiger Kampf gegen den Sumpf der Vergangenheit aus Korruption und Klientelismus verabsäumt. Die Finanzkrise hat Kroatien enorm zugesetzt. Das steigende Meer der Arbeitslosen, Armen und Unzufriedenen ist frustriert und enttäuscht. Sündenböcke sind mit dem politischen Establishment und der EU schnell ausgemacht. Der Wahlkampf 2015 wird heftig werden, polarisieren und weitere Menschen frustrieren. Die beiden Großparteien könnten die Verlierer sein.
Kroatien braucht politische Erneuerung. 2015 bietet eine Chance dafür. Auch wenn man das politische Heil nicht automatisch in neuen Protestparteien suchen kann, so geben sie im kroatischen Fall einen Anlassfall für Hoffnung. Weniger Langeweile, mehr Mut, Frechheit und neue Ideen können dem jüngsten Mitglied der EU nur gut tun.