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Jerusalem - Vor fast zehn Jahren hatte Yasser Arafat als damals weitgehend verfemter PLO-Chef das diplomatische Parkett betreten und war in Washington von US-Präsident Bill Clinton umarmt worden. Clinton war zu der Einsicht gekommen, dass Arafat nach dem israelisch-palästinensischen Abkommen von Oslo 1993 auch für die Supermacht keine Unperson mehr bleiben könne. Jetzt hat Clintons Nachfolger George W. Bush Arafat demonstrativ fallen gelassen und ihm die kalte Schulter gezeigt. Arafats Beliebtheit könnte nun, da Bush so offen gegen ihn ist, erneut zunehmen.
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Denn zumindest seit dem Amtsantritt des US-Präsidenten Anfang 2001 ist in den Augen vieler Palästinenser und Araber die US-Politik eindeutig pro-israelisch. "Die Amerikaner können nicht diktieren. Wenn eine Forderung von außen kommt, dann wirkt das wie ein Diktat, und dann akzeptiert das Volk das nicht", betont der palästinensische Politikexperte Ali el Jerbaui.
Yasser Arafat selbst reagierte geschickt auf die Bush-Rede, als er am Dienstag sagte, der US-Präsident habe nichts gegen ihn persönlich gesagt. Bush habe von Wahlen gesprochen. Und genau das würden die Palästinenser tun: eine demokratische Regierung wählen. Jetzt muss der Mann, der - nach seiner Vertreibung aus dem Libanon durch das israelische Militär in den frühen achtziger Jahren - bis 1994 im Exil in Tunesien lebte und nach den Oslo-Verträgen zusammen mit den israelischen Politikern Yitzhak Rabin und Shimon Peres den Friedensnobelpreis erhielt, beweisen, dass er seinen Worten Taten folgen lässt.
Israels Ministerpräsident Ariel Sharon hat Arafat seit langem als "Drahtzieher des Terrors" abgeschrieben. Aber Sharon, der mit seinen Truppen Arafats Amtssitz in Ramallah umstellt hatte, musste im April noch zurückstecken.
Arafat hat einen langen und nicht immer geradlinigen Weg zurückgelegt. 1959 gründete der junge Ingenieur in Kuwait die Fatah-Bewegung, die die Befreiung Palästinas auf ihre Fahne schrieb. 1969 wurde er als Nachfolger von Ahmed Shukeiri Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), zwei Jahre nach der Besetzung des Westjordanlandes und des Gaza-Streifens durch Israel, und 1996 wählte ihn sein Volk in den Autonomiegebieten zum Präsidenten. Im Jahr 2000 verhandelte Arafat in Camp David mit Sharons Amtsvorgänger Ehud Barak über ein Friedensabkommen mit Israel. Doch er unterschrieb nicht. Dies gab dem von radikalen Gruppen als Kompromissler beschimpften Mann neues Ansehen im Volk. Als die Ende September 2000 ausgebrochene zweite Intifada, der Volksaufstand gegen die Besatzungsmacht, immer mehr eskalierte und das israelische Militär die Selbstverwaltungsgebiete wieder besetzte, feierten ihn die Palästinenser wieder. Kritische Stimmen, die seiner Regierung Korruption vorgeworfen hatten, verstummten. Wenn jemand über Krieg oder Frieden im Nahen Osten entscheiden könne, dann sei es Arafat, urteilen politische Beobachter und Kenner des Nahen Ostens. "Er ist wahrscheinlich der beste Taktiker in der ganzen Welt", urteilt Jerbaui.