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Oliver Brown, Schweißer und Hilfspastor aus Topeka im US-Bundesstaat Kansas, machte vor mehr als einem halben Jahrhundert Geschichte. Sein Name stand als erster auf einer Sammelklage gegen den Schulbezirk, und das Verfahren mündete in einem Urteil, das oft als das wichtigste des US-Höchstgerichtes im 20. Jahrhundert bezeichnet wird: 1954 entschied der "Supreme Court" im Fall "Brown versus Board of Education", dass die Rassentrennung an öffentlichen Schulen gegen den Gleichheitsgrundsatz in der Verfassung verstößt.
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Ob diese Entscheidung "Amerika für immer zum Besseren verändert hat", wie George W. Bush 2004 sagte, wird in den USA derzeit heftig debattiert. Denn durch ein neues Urteil des Höchstgerichtes wird das Rassismus-Argument im Fall Brown "auf den Kopf gestellt", wie einer der damaligen Anwälte, heute 90 Jahre alt, meint. Eine knappe Mehrheit der Richter entschied nun, Kinder nur mit dem Argument der Rasse bestimmten Schulen zuzuteilen, sei ungesetzlich.
Die richterliche Forderung nach "Farbenblindheit" der Verfassung, die sich gleichfalls auf das Brown-Urteil beruft, stieß umgehend auf Kritik. So sei nicht berücksichtigt worden, dass 1954 gegen die Vernachlässigung und Unterdrückung der US-Schwarzen geurteilt wurde. Demokratische Präsidentschaftswerber führten das Urteil auf die Neubesetzung von Höchstrichterposten durch Bush zurück. Tatsächlich hatte der "Supreme Court" ein Verfahren in einem ähnlich gelagerten Fall abgelehnt, als noch die liberalere Richterin Sandra Day OConnor im Gericht saß. Mittlerweile hat ihren Sitz der konservative Samuel Alito übernommen, und auch der Vorsitzende John Roberts ist ein Bush-Mann.
Geklagt hatten Eltern von Kindern, die nicht an ihrer Wunschschule aufgenommen werden konnten, weil in ihren Bezirken versucht wird, Schüler verschiedener Hautfarben zu durchmischen. Ziel dieser Projekte war, dass Schulen die Vielfalt der gesamten Gesellschaft statt nur die soziale Zusammensetzung ihres Viertels reflektieren sollen. Die Kritiker fürchten, dass das Urteil Folgewirkungen für andere US-Schulen haben wird, an denen ähnliche Integrationsversuche laufen - laut Schätzungen sind dies zwischen einigen hundert und eintausend.
Ein Hintertürchen ist allerdings noch offen: Einer der Richter, dessen Stimme entscheidend für das knappe 5:4-Resultat war, war der Minderheitsmeinung, dass unter bestimmten Umständen Rasse als Faktor berücksichtigt werden müsse.
Und eines der Mitglieder des betroffenen JeffersonCounty-Schulbezirkes hat schon einen Plan B, dem von Rechtsexperten größere Chancen eingeräumt werden: Das Ziel, Ausgewogenheit unter den Schülern zu erreichen, bleibt; aber statt der Hautfarbe könnte ihre sozioökonomische Situation darüber entscheiden, an welche Schule sie kommen. Seite 7