In Nepal trat Premierminister Oli zurück. Ob damit der Konflikt mit Minderheiten gelöst wird, ist aber fraglich.
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Kathmandu/Wien. Er ist eine Kämpfernatur, saß wegen seiner politischen Aktivitäten von 1973 bis 1987 in Nepal im Gefängnis. Und allzu schnell wollte Khadga Prasad Sharma Oli - wegen seiner Initialen und seiner politischen Gesinnung von vielen K.P. Oli genannt - auch diesmal nicht aufgeben.
Denn der einseitige Widerstandskämpfer war - nach Bürgerkrieg, Abschaffung der Monarchie und der Einführung eines Mehrparteiensystems - im Oktober 2015 zum Premier des Himalaya-Staates geworden. Doch immer wieder hatte der Vorsitzende der Kommunistischen Partei /Vereinigte Marxisten-Leninisten (UML) mit Kritik an seiner Amtsführung zu kämpfen. Zurücktreten wollte er jedoch nicht.
Bis zu diesem Sonntag. Da ist Oli mit seinem freiwilligen Abgang einem Misstrauensantrag, bei dem er chancenlos gewesen wäre, zuvorgekommen. Die Maoisten, die Olis Koalitionspartner waren, hatten sich mit der oppositionellen Kongresspartei verbündet. Damit herrscht in Nepal weiter Instabilität - ständig wechseln in einem der ärmsten Staaten der Welt die Regierungen und Koalitionen.
Die Parteifreunde Olis meinen, sein Sturz habe geopolitische Gründe. Die beiden großen Nachbarn Indien und China kämpfen in Nepal um Einfluss. Oli habe demnach zu China-freundlich agiert. Seine Gegner geben andere Gründe für Olis Abgang an. Sie werfen ihm vor, dass das Land nach der Erdbebenkatastrophe im Frühling 2015, bei der etwa 800.000 Häuser eingestürzt sind, noch viel zu sehr in Trümmern liegt. Zudem habe er Minderheitenkonflikte nicht gelöst.
Die Madhesis und Tharus laufen gegen die erst kürzlich beschlossene Verfassung Sturm. Die Provinzen wurden nicht, wie von ihnen gefordert, nach ethnischen Gesichtspunkten aufgeteilt, sondern nach geographischen und schon vorhandenen Verwaltungsstrukturen. Damit bleiben Madhesis und Tharus in sämtlichen Provinzen, die sie bewohnen, in der Minderheit. Im Süden des Landes kam es zu heftigen Protesten, die Grenze zu Indien wurde blockiert, was zu einem Versorgungsengpass, etwa von Benzin, führte. Die Sicherheitskräfte schritten gewaltsam ein, es kam zu schweren Auseinandersetzungen mit 57 Toten.
Hohe Kasten bestimmen Politik
Oli hatte sich geweigert, auf die Minderheiten einzugehen. Nun wollen die Maoisten mit der Kongresspartei das Land anführen. Ob das den Konflikt nun löst, sei aber fraglich, sagt Julia Strasheim vom deutschen Thinktank Giga-Institut für Asien-Studien, die zu Nepal forscht.
Zwar sei dies eine Chance auf neue Gespräche. Aber: Für die Änderung der Verfassung sei eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig, und die besitzen die beiden Parteien nicht. Zudem löse ein Regierungswechsel nicht das Grundproblem, sagt die Politologin der "Wiener Zeitung". "Die Personen, die die Macht im Staate haben - welcher Partei sie auch angehören -, sind allesamt Vertreter einer bestimmten sozialen Gruppe: Sie sind Hindu-Männer aus dem zentralen Bergland und gehören sehr hohen Kasten an." Andere Gruppen, und damit auch die Minderheiten, sind unterrepräsentiert. So lange die Verfassung Angelegenheit vor allem der Eliten bleibt, stehen die Chancen auf eine Lösung des Konflikts nicht sonderlich gut, sagt Strasheim.
Dabei wäre eine funktionierende Verfassung, die von allen akzeptiert wird, entscheidend für Nepal. Denn sie bestimmt über die Verteilung der Macht, die Kontrolle der Regierung und damit auch über den Fluss der Hilfsgelder. Wiederaufbau und Verfassung - eines ist ohne dem anderen nicht zu haben, betont Strasheim.