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Neue Regierung erbt akute Pflegeprobleme

Von Karl Ettinger

Politik
© stock.adobe / Baan Taksin Studio

Zur ungeklärten Finanzierung kommt ein Konflikt mit den Ländern um die Kosten nach dem Ende des Pflegeregresses.


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Bei ihren am Freitag zu Ende gehenden Sondierungsgesprächen haben ÖVP und Grüne die Pflege nicht unter ihren fünf Schwerpunktthemen aufgelistet. Aber unabhängig davon, ob es nun zu einer türkis-grünen Koalition kommt oder nicht: Jede künftige Bundesregierung wird mit den wegen des vorzeitiges Bruchs der türkis-blauen Regierung aufgeschobenen, ungelösten Fragen konfrontiert sein: ungeklärte Finanzierung und akuter Mangel an Pflegepersonal.

Jetzt kommen weitere Auseinandersetzungen zwischen dem Bund und den Bundesländern dazu. Es geht dabei um Kompensationszahlungen von Bundesseite für Einnahmenausfälle durch den Anfang 2018 abgeschafften Pflegeregress, den Bewohner von Pflegeheimen bis dahin zahlen mussten. Einerseits fordern mehrere Bundesländer noch mehr Geld für das Vorjahr, für das vom Finanzministerium insgesamt 295,5 Millionen Euro zugestanden wurden. Andererseits laufen die Länder Sturm dagegen, dass beim Ausgleich für den Pflegeregress für 2019 und 2020 jeweils eine Obergrenze von 300 Millionen Euro festgesetzt wurde.

Die Bundeskanzlerin der Übergangsregierung, Brigitte Bierlein, hat zwar im ORF-"Report" Gespräche von Finanzminister Müller mit den Ländern zugesagt. Allerdings verwies sie darauf, dass die Deckelung der Kompensationszahlungen Sache des Parlaments sei: "Diese Regierung kann diese Entscheidung nicht rückgängig machen." Bierlein reicht damit das Problem an das Hohe Haus zurück - beziehungsweise an die Nachfolgeregierung weiter.

Mehrere Millionen Nachforderungen der Länder

Tatsächlich ist erst knapp vor der Nationalratswahl im September mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ ein Fixbetrag von je 300 Millionen Euro für 2020 für die Länder als Ersatz für den Pflegeregress beschlossen worden. Für die Landesfinanzreferenten ist diese Deckelung "inakzeptabel". Was 2018 betrifft, so kommen mehrere Bundesländer, darunter Wien, Oberösterreich und die Steiermark nach ihren Berechnungen auf mehrere Millionen höhere Summen als von der Buchhaltungsagentur des Bundes errechnet wurde.

Es wird erwartet, dass die Landeshauptleute bei ihrer Konferenz am Freitag die Haltung der Länder bekräftigen werden. Dabei stehen der Bund und die neue Bundesregierung generell bei den Kosten der Pflege ohnehin bereits unter Druck der Bundesländer. Die Sozialreferenten der Länder haben Ende Oktober in einer Resolution an die künftige Regierung schon deponiert, dass sie rasch eine Absicherung des 2021 auslaufenden Pflegefonds, aus dem Bundesmittel bereitgestellt werden, verlangen. Grund dafür sind die angesichts der Alterung der Bevölkerung stark steigenden Ausgaben für den Pflegebereich. Rund fünf Milliarden Euro pro Jahr wurden bisher in Österreich für Pflege aufgewendet.

Allerdings ist nach wie vor offen, wie die steigenden Kosten für die Pflege mittel- und längerfristig finanziert werden. Neben dem Kräftemessen mit den Ländern ist nun die neue Regierung auch mit dieser Frage konfrontiert. Was ÖVP und Grüne betrifft, gibt es diesbezüglich unterschiedliche Ansätze. Denn die ÖVP hat sich im Wahlkampf für eine Pflegeversicherung als fünfte Säule der Sozialversicherung ausgesprochen, wofür Geld aus der Unfallversicherung umgeschichtet werden soll. Dazu kommt Geld aus dem Steuertopf. Die Grünen sind für eine steuerfinanzierte Variante - notfalls auch mit einer Vermögenssteuer. Auch die SPÖ hat sich für ein steuerfinanziertes Modell ausgesprochen, bei der eine Milliarde aus einer Vermögenssteuer zusätzlich anfallende Pflegekosten abdecken soll.

Studien zu Pflegeversicherung, Personalbedarf Ende November

Mitten in den Verhandlungen über eine künftige Bundesregierung wird weitere Experteninformation für den Pflegebereich geliefert - und damit zusätzlicher Zündstoff. Denn Ende November werden zwei Studien erwartet, die noch von der früheren FPÖ-Sozialministerin Beate Hartinger-Klein in Auftrag gegeben worden sind. Eine der Untersuchungen befasst sich mit der Finanzierung und vor allem auch mit der Frage einer Pflegeversicherung. Dabei wurde das deutsche Modell geprüft, das allerdings bisher für die ÖVP nicht als Vorbild für Österreich galt.

Die zweite Studie liefert neue Daten über den künftigen Bedarf an Pflegepersonal. Nach einer Wifo-Studie ist damit zu rechnen, dass 24.000 zusätzliche Pflegekräfte bis 2030 benötigt werden. Experten sehen im fehlenden Pflegepersonal ein größeres Problem als in der Finanzierung.