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Das Wiener Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste besitzt neben alten Meistern der Gotik und des Barocks auch ein großes Konvolut an Aquarellen und Zeichnungen der deutschen und österreichischen Romantik. Dieses wurde für eine Wanderausstellung von Kuratorin Cornelia Reiter zusammengestellt und ist die letzten zwei Jahre durch Museen in Deutschland und Italien (Stendal, Koblenz, Bologna, Rom) gereist, bevor es zum Abschluss auch in den Räumen hinter der Aula der Akademie bis 18. Jänner unter dem Titel "Suche nach dem Unendlichen" präsentiert wird.
Begleitet sind die meist ganz zart gestrichelten etwa 100 Blätter der Brüder Olivier, von Julius Schnorr von Carolsfeld, Joseph Fürich, Leopold Kupelwieser, Moritz von Schwind u. a. von einem Katalog (Prestel-Verlag) und zwei prominent besetzten Vorträgen der Spezialisten in Fach Kunstgeschichte, Werner Hofmann und Rainer Metzger. Die Schau ist aus einem Forschungsprojekt hervorgegangen und wurde mit einem Beitrag Heimo Zobernigs konzipiert; die Hängung erfolgt ikonografisch und gattungsspezifisch.
Märchenhafte Konzepte
Neben Joseph Anton Kochs Landschaftsaquarellen aus dem Nachlass finden sich auch die meist pathetisch angehauchten Arbeiten des Johann Evangelist Scheffer von Leonardshoff, erhabene Felsentürme der Oliviers oder von Bonaventura Emler sowie Adrian Ludwig Richters märchenhafte Konzepte in Sepia. Die religiösen wie die historischen Sagenstoffe bieten viel Einblick in eine künstlerische Praxis, die sich einerseits eine Rückkehr in Ritterträume und einen naiv unverdorbenen Glauben vorgaukelte, andererseits in eine verfeinerte Bildniskunst.
Die Brüche mit der historischen Realität der Zeit werden aber bereits in diesen Werken deutlich; italienische (bei Koch) und nordische Sagenkreise (bei Carstens) lassen erste nationalistische Töne durchdringen: existenzielle, aber auch rein künstlerische Fragen brechen heraus, wenn auch weniger bei den Vertretern des Lukabundes oder der Nazarener. Bei ihnen sind die Töne sicher, bei aller Rebellion, sanfter als bei Goya, Füssli oder Blake, den noch moderneren Zeitgenossen. Doch die Geburtsstunden des Künstlers als Außenseiter oder priesterlicher Hüter eines Kunsttempels namens Museum ist auch schon in der frühen Phase des 19. Jahrhunderts spürbar - in aller Problematik und der Gebundenheit an zeitgeistige Vorurteile, Geschmacksvorstellungen und politische Abgründe.
Pluralistische Auffassung
Ein spannendes Kapitel - aktuell bis heute - in pluralistischer Auffassung und vielen geistesgeschichtlichen Strömungen, die in die Gegenwart hereinwirken, bestückt aus einer Sammlung, die nach der Albertina die reichste grafische in dieser Stadt ist. Dem sehr ordentlich gearbeiteten und recherchierten (auch Bestands-)Katalog hätte ein kritisch-provokanter Beitrag, wie er von den Vortragenden ergänzt wird, sicher auch nicht geschadet.