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Neue Schienen statt Lobautunnel

Von Franz Molitor

Gastkommentare

Ein Verzicht auf einige umstrittene Straßenprojekte könnte neue Optionen für die Bahn eröffnen.


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Staus auf Autobahnen - allen voran auf der Wiener Südosttangente (A23) - gehören fast schon zum Alltagsgeschehen. Der Bau des Lobautunnels und der Stadtstraße-Aspern sowie die Verlängerung der Schnellstraße S1 von Groß-Enzersdorf nach Süßenbrunn sollen das Verkehrsaufkommen auf der A23 verringern und das Stadtentwicklungsgebiet Seestadt Aspern besser und schneller mit Auto und Lkw erreichbar machen. Nicht nur die Bürgerinitiative "Hirschstetten retten" kritisiert dieses Vorhaben vehement.

Sechs Bahnlinien führen von Wien in Richtung Osten. Nördlich der Donau sind das die Nordbahn nach Bernhardsthal/Breclav (über Süßenbrunn und Deutsch-Wagram) sowie die Marchegger Ostbahn nach Marchegg und Bratislava (über Wien Aspern Nord und Raasdorf). Südlich der Donau sind das die Linie nach Wolfsthal (über Schwechat und Hainburg), die Ostbahn nach Bratislava-Petrzalka und Hegyeshalom (über Gramatneusiedl und Bruck/Leitha), die Pottendorfer Linie nach Wiener Neustadt (über Ebreichsdorf und Ebenfurth) sowie die bis heute nicht elektrifizierte Innere Aspangbahn nach Wiener Neustadt (über Maria Lanzendorf und Traiskirchen), die neuerdings montags bis freitags im Stundentakt verkehrt. Was fehlt, ist eine Nord-Süd-Verbindung zwischen diesen Bahnlinien östlich von Wien. Statt des umstrittenen Lobautunnels könnten einige wenige neue Bahnkilometer diese Linien und einiges mehr verbinden.

In Gramatneusiedl zweigt ein Gleis nach Süden ab, das die Ostbahn mit der Pottendorfer Linie in Wampersdorf (über Mitterndorf/Fischa und Unterwaltersdorf) verbindet. Diese Verbindung ist eingleisig und elektrifiziert, wird jedoch nicht mehr für den Personenverkehr genutzt.

Rund 10 Kilometer weiter östlich verläuft die seit Jahrzehnten nicht mehr für den Personenverkehr genutzte eingleisige nicht-elektrifizierte Bahnstrecke Fischamend - Mannersdorf (über Klein Neusiedl, Schwadorf/Fischa, Margarethen am Moos und Götzendorf Bhf - wo sie die Ostbahn kreuzt - und Götzendorf). Mit etwas politischem Willen könnte diese Linie elektrifiziert und reaktiviert werden. Da und dort verläuft sie sehr nahe an der Bundesstraße, und eine Verlegung um einige Meter etwas weiter in die Felder hinein, eine Brücke über die Ostbahn und einige Bahnschranken und Wartehäuschen wären dafür nötig.

Nord-Süd-Express zwischen Deutschkreutz und Wien

Eine eingleisige Verbindung von Mannersdorf nach Wampersdorf Bhf (über Reisenberg/IAEA Laboratories Seibersdorf und Unterwaltersdorf - ab hier ein zweites Gleis parallel zum bestehenden) wäre das Sahnehäubchen zur neuerlichen Erschließung dieser Region für den öffentlichen Personennahverkehr.

Viele Wege führen von Deutschkreutz im burgenländischen Blaufränkischland nach Wien - selbst mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Mit der Bahn kommt man jetzt schon sowohl über Ebenfurth als auch über Wiener Neustadt unter eineinhalb Stunden Fahrzeit zum Wiener Hauptbahnhof. Die neue Pottendorfer Linie ist Teil des Baltisch-Adriatischen Korridors und wird zur Hochleistungsstrecke (mit bis zu 200 km/h zwischen Wampersdorf und Wien) ausgebaut. Es gäbe aber noch eine Variante: nämlich über Gramatneusiedl und die teilweise neu zu errichtende Nord-Süd-Bahn über Groß-Enzersdorf.

Bahnpassagiere wollen reisen, ohne oft umsteigen zu müssen, und, wenn sie schon einmal umsteigen müssen, ohne Umschweife weiterreisen können. Für die hier geschilderte Nord-Süd-Bahn zwischen Deutschkreutz und Wien (samt Zulaufstrecken) müssten zwar einige zusätzliche Investitionen in die Schiene getätigt werden, die Bahn würde dadurch aber einiges an Attraktivität gewinnen. Der Nord-Süd-Express würde wegen des Nadelöhrs zwischen Wampersdorf und Gramatneusiedl die Ausweichstrecke zwischen Mannersdorf und Wampersdorf brauchen und in folgenden Stationen halten:

Deutschkreutz Bhf: Mit dem REX6 (über Sopron, Wulkaprodersdorf und Ebenfurth) und dem REX93 (über Sopron, Mattersburg und Wiener Neustadt) ist man unter eineinhalb Stunden am Wiener Hauptbahnhof. Der REX6 fährt weiter nach Bratislava Petrzalka. Der REX93 endet hier und könnte (ebenso wie Züge aus St. Pölten) nach Wien Aspern Nord (U2) - über Wien Simmering (U3), Stadlau (U2) und Hirschstetten - weitergeführt werden. Für den neuen Nord-Süd-Express könnten der REX6 und der REX93 in Ebenfurth beziehungsweise Wiener Neustadt geteilt und mit einem in Wampersdorf bereitstehenden Zug verbunden werden. In Wiener Neustadt könnten auch Züge, die aus Mürzzuschlag kommen, geteilt werden. Dann müsste niemand umsteigen, und die Passagiere könnten die Fahrt in aller Ruhe genießen.

Wulkaprodersdorf Bhf: Von hier fährt der REX64 in knapp 90 Minuten (über Eisenstadt, Parndorf, Bruck/Leitha und Gramatneusiedl) zum Wiener Hauptbahnhof, in Eisenstadt ist man in 6 Minuten, in Gramatneusiedl in 65 Minuten. Statt der Verlängerung der A3 nach Ungarn und des Ausbaus der Schnellstraße S4 (Mattersburg - Wiener Neustadt) zur Autobahn könnte eine neue Bahnlinie von Klingenbach (samt Rampe für Huckepackverkehr von Lkw) nach Wiener Neustadt entlang der S4 gebaut werden.

Ebenfurth Bhf: Mit dem REX6 ist man schon heute in einer guten halben Stunde und mit der S60 in einer knappen Stunde in Wien.

Wampersdorf Bhf: Die S60 hält hier, und ihre Passagiere könnten in den Nord-Süd-Express umsteigen. Kurz nach dem Bahnhof zweigt die eingleisige Linie nach Gramatneusiedl (14 Kilometer) ab, die modernisiert und mit allen Sicherheitsvorkehrungen (modernen Weichen, Unterführungen von Straßen) und Lärmschutzwänden ausgestattet werden müsste. Aus Sicherheitsgründen wäre es ratsam, die eingleisige Strecke zu den Stoßzeiten in der Früh (etwa 5 bis 8 Uhr) nur in Richtung Gramatneusiedl und nachmittags (etwa 15 bis 20 Uhr) nur in Richtung Wampersdorf zu befahren, dafür mit hoher Geschwindigkeit, um Pendler aus dem Burgenland, der Steiermark und dem südlichen Niederösterreich bevorzugt zu behandeln. Zwischen den Stoßzeiten könnte der Personennahverkehr mittels Stichfahrten erfolgen.

Gramatneusiedl Bhf: Hier gibt es eine Reihe von Anschlusszügen (REX6, REX62, REX64, S60) nach Bruck/Leitha beziehungsweise über Himberg zum Wiener Hauptbahnhof. Alle Züge, die dorthin unterwegs sind, könnten hier geteilt werden und die Route der Nord-Süd-Bahn nehmen, die östlich von Himberg nach Mannswörth/Flughafen Wien (etwas mehr als 10 Kilometer) abzweigen und auf einer Eisenbahnbrücke die Bundesstraße B9, die Bahnlinie S7, die Ostautobahn (A4) und die Schwechat überqueren würde.

Neue Haltestelle über der S7: Vor dieser neuen Haltestelle mit Liften und Umsteigemöglichkeit zu ebener Erd’ in den REX7 und die S7 nach Wolfsthal und Wien Rennweg würde für alle Züge ein Gleis nach rechts abzweigen - entweder nach unten oder nach oben. Dadurch ergäben sich fünf neue Bahnverbindungen (inklusive Mannersdorf). Die Voraussetzung wären Zugteilungen in Mannswörth und am Flughafen. Die Strecken Groß-Enzersdorf - Schwechat, Schwechat - Gramatneusiedl, Gramatneusiedl - Flughafen Wien und Flughafen Wien - Groß-Enzersdorf könnten direkt bedient werden. Da eine reaktivierte Bahnstrecke Fischamend - Mannersdorf auch über den Wiener Flughafen fahren würde, könnten auch Passagiere dieser Linie mit einmal umsteigen auf kurzem Weg bis nach Wien Floridsdorf gelangen. Ab der Haltestelle über der S7 ist nur noch Personenverkehr möglich und der Nord-Süd-Express würde die Donau östlich vom Alberner Hafen zum Ölhafen Lobau überqueren. Hier könnte ein Gleis zur Ölhafenbahn abzweigen und durch die Lobau ist die Strecke eingleisig.

Wien Essling/Groß-Enzersdorf Autokinostraße: Das schwierigste Unterfangen aus naturschutzrechtlicher Sicht wäre in der Folge die Überquerung der Lobau auf einer eingleisigen Eisenbahnbrücke bis zur Station Wien Essling/Groß-Enzersdorf Autokinostraße. Der letzte kurze Abschnitt vor der Autokinostraße - und diese selbst - müssten wohl untertunnelt werden. Es wäre sinnvoll, die Schnellbahnlinie S80 von Wien Aspern Nord (U2) zur Autokinostraße zu verlängern und von hier eine Schnellbahnstrecke nach Raasdorf und weiter nach Deutsch-Wagram einzurichten. Der Nord-Süd-Express könnte dann zum Verkehrsknotenpunkt Floridsdorf (U6) - über Süßenbrunn (R1, REX1, S1), Leopoldau (U1) und Siemensstraße - weiterfahren. In der Früh hielte er auf dem Weg retour nach Wampersdorf nur in Wien Mitte (U3, U4), Schwechat, Gramatneusiedl, Mannersdorf, Reisenberg/IAEA Laboratories Seibersdorf und Unterwaltersdorf (Ort).

Neue Bahnstrecken statt umstrittener Schnellstraßen

Die Asfinag plant mehrere umstrittene Schnellstraßen, darunter die Marchfeld-Schnellstraße (S8) von Wien nach Bratislava durch die Europaschutzgebiete March-Thaya-Auen, die Schnellstraße S1 vom Knoten Groß-Enzersdorf zum Knoten Süßenbrunn, die Stadtstraße-Aspern in die Seestadt und die Schnellstraße S80 in Hirschstetten.

Würden der Lobautunnel und die neuen Schnellstraßen nicht gebaut, dann könnte das raumplanerisch und finanziell ganz neue Optionen für die Bahn eröffnen. Der Personennahverkehr könnte dann von Deutsch-Wagram und Wien Süßenbrunn zum Stadtentwicklungsgebiet Seestadt Aspern, nach Raasdorf und Groß-Enzersdorf auf Schienenwegen erfolgen. Und von Groß-Enzersdorf nach Deutschkreutz im Burgenland über das ungarische Eck wäre es am Nachmittag und Abend nur noch ein Katzensprung.