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Neue Schreckensbilder aus Abu Ghraib bringen Obama in die Zwickmühle

Von Alexander U. Mathé

Analysen

Stimmt die Meldung über die von US-Präsident Barack Obama unter Verschluss gehaltenen Folterbilder von Abu Ghraib, so spielt in der Affäre ein ordentliches Maß an Heuchelei mit.


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Unmittelbar schockierend ist nicht die Nachricht, dass es in dem irakischen Gefängnis zu Vergewaltigungen gekommen sei. Wer sich die seit Jahrtausenden wiederholten monströsen Kriegsgräuel bewusst macht, wer die Bilder gesehen hat, die vor fünf Jahren in die Öffentlichkeit geraten sind, konnte sich bereits damals die traurige Situation in dem Gefängnis ausmalen.

Im Moment viel verstörender ist die Argumentation des ehemaligen Generalmajors Antonio Taguba, warum die Bilder nicht veröffentlicht werden sollen: Weil die Freigabe der Fotos nur zu juristischen Klagen führen würde, die in der Folge die Sicherheit der US-Truppen gefährden könnten. Diese Aussage lässt vermuten, dass es primär um die Vermeidung von Prozessen geht und darum, Kriegsverbrechen nach Gutdünken nur intern zu ahnden. Das nährt die Befürchtung, dass manche gravierende Straftat unbeobachtet unter den Tisch fallen könnte.

Schwer nachzuvollziehen ist diese Haltung auch deshalb, weil es noch vor wenigen Tagen sehr wohl möglich war, dass ein 24-jähriger ehemaliger Soldat wegen Vergewaltigung zu lebenslanger Haft verurteilt wird. Hier hatte niemand eine juristische oder militärische Gefahr geortet.

Richtig unangenehm ist Tagubas Aussage für Obama. Der hatte über die unter Verschluss gehaltenen Bilder gesagt, dass sie nicht besonders sensationell seien, zumal im Vergleich zu den bereits bekannten Fotos. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder hat Obama wissentlich nicht die Wahrheit gesagt, oder er hatte von der Existenz dieser besonders schockierenden Fotos "deren pure Beschreibung entsetzlich genug ist" keine Ahnung.

In beiden Fällen steht Obama nicht besonders gut da. Ersterer rückt ihn in die Kategorie Vertuscher und Lügner, was er selbst seinem Vorgänger George W. Bush angekreidet hatte. Letzterer lässt ihn als den Naivling dastehen, als den ihn viele Republikaner allzu gerne gezeichnet haben.

In beiden Fällen hat Obama Handlungsbedarf, denn die Affäre kratzt ordentlich am Lack des Präsidenten. Zu den Angriffen von republikanischer Seite kommt nun auch Kritik aus den eigenen Reihen. Bürgerrechtler, die Obama im Wahlkampf gestützt hatten, werfen ihm nun vor, von seinem Versprechen der Offenheit wieder abzurücken.

Obama ist in der Zwickmühle. Veröffentlicht er die Fotos, riskiert er einen Imageschaden der US-Armee und einen erneuten Antiamerikanismus. Bleiben die Bilder unter Verschluss, riskiert er, seine eigene Reputation zu beschädigen, die zu einem Großteil den neuen Pro-Amerikanismus ausmacht.