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Neue Schuldenberge? Nein danke!

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Weder Corona noch Klima sind gute Gründe, in der Eurozone abermals Schuldenexzesse zu veranstalten.


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Ohne viel Aufhebens hat der deutsche Finanzminister Olaf Scholz dieser Tage wohl Abschied von einem bisher eisernen Prinzip deutscher Politik genommen: der "schwarzen Null", also einem ausgeglichenen Budget. "Sollte eine große Krise kommen, wird die Bundesregierung alles tun können - und alles tun -, was notwendig ist, um die Konjunktur zu stabilisieren", sagte Scholz.

Nun ist es grundsätzlich vernünftig, wenn im Falle einer wirklich tiefen Rezession, ausgelöst etwa durch einen Zusammenbruch der globalen Wertschöpfungsketten dank Corona, die deutsche Regierung ein massives Konjunkturpaket auf den Weg bringt. In echten Ausnahmefällen ist das berechtigt.

Fatal hingegen wäre es, würden die multiplen Krisen der Gegenwart als Vorwand dienen, die solide deutsche Haushaltspolitik grundsätzlich zu kippen und durch eine Politik exzessiver Schulden zu ersetzen, wie sie in großen Teilen der EU gang und gäbe ist. Dass sich Deutschland - so wie Österreich auch - auf absehbare Zeit Geld leihen kann, ohne dafür Zinsen zahlen zu müssen, oder gar dafür bezahlen lassen kann, Kredit zu nehmen, stellt natürlich eine gewaltige Versuchung dar, der nicht zu erliegen gar nicht so einfach sein dürfte.

Dabei wird regelmäßig vergessen oder verdrängt, dass Deutschland heute einer echten Ausnahmekrise nur deswegen so unproblematisch mit nahezu beliebigen Geldmitteln trotzen könnte, weil das Land in der jüngeren Vergangenheit ebenso konservativ gewirtschaftet hat. Das bringt in der Stunde der Not, wenn es darauf ankommt, natürlich fast unbegrenzten Kredit. "Ich bin Keynesianer und habe immer für solide Haushalte geworben, damit wir in einer Krise mit voller Kraft zulangen können. Das zahlt sich jetzt aus", hat Scholz selbst erklärt.

Vor allem aber bildet eine solide deutsche Finanzpolitik auch den informellen Anker des Euro. Denn die Kreditwürdigkeit der Euroländer hängt letztlich auch an der Fähigkeit Deutschlands, im Fall der Fälle rettend einzuspringen; siehe Griechenland. Das war zwar so nie ausgemacht, ist aber heute so.

Das heißt aber auch: Würde Deutschland von seiner konservativen Finanzpolitik grundsätzlich abweichen, wäre das ohnehin nicht übertrieben robuste Vertrauen in den Euro wieder deutlich in Frage gestellt. Sollte etwa Italien angesichts der dortigen auch ökonomisch dramatischen Corona-Krise an den Rand der Insolvenz taumeln, wird dieses Vertrauen jedoch mehr als notwendig sein. Deutschland sieht sich ja bekanntlich gerne als moralische Hypermacht, die Verantwortung übernimmt für alle Geschundenen dieses Planeten, für die Durchschnittstemperatur auf der Erde in 50 Jahren und was an Plagen noch so daherkommen wird.

Das wirkt manchmal einigermaßen übertrieben, befremdlich und seltsam maßlos. Doch dass Deutschland die vergleichsweise kleine Last auf sich nimmt, mittels verantwortungsvoller Budgetpolitik trotz Corona die Existenz des Euro abzusichern, braucht gar keine hochmoralische Unterfütterung. Es ist schlicht im Interesse Deutschlands und seiner Partner in der EU.