Die Enthüllungen der Plattform Wikileaks über heimische Politiker im Vorjahr hatten in Österreich eher einen No-Na-Effekt ausgelöst: Außenminister Michael Spindelegger, kabelten da enttäuschte US-Diplomaten nach Washington, sei "weitgehend darauf konzentriert, das Vordringen der österreichischen Wirtschaft zu befördern".
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Unter "Top secret" dürfte die Information nicht gehandelt worden sein. Denn Wien konzentriert sich seit Jahren intensiv auf seine neuen Märkte in Ost- und Südosteuropa. Entgegen dem allgemeinen Trend zum Sparstift wurde erst kürzlich eine - von der OMV finanzierte - österreichische Botschaft in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku eröffnet. Der Fokus auf diese "Zukunftsregionen" findet nicht überall Beifall: So beklagen heimische Entwicklungshelfer, die in für Österreichs Wirtschaft uninteressanteren Teilen der Welt tätig sind, die in ihren Augen extreme Schwerpunktsetzung.
Die Ambitionen des Ministers sind groß: Spindelegger will Wien zur Schnittstelle zwischen Europa und dem eurasischen Raum machen. Dass in Wien erstmals seit 2002 wieder eine Regionalkonferenz des Davoser Weltwirtschaftsforums stattfindet, geht auf seine Initiative zurück. Dabei hat sich einiges geändert: Lag der Fokus 2002 noch auf Osteuropa, geht es diesmal vor allem um Zentralasien und den Südkaukasus. So reisen zu dem von 7. bis 9. Juni stattfindende Treffen auch die Staatschefs von Kirgistan und Tadschikistan an.
Doch das Gebiet ist politisch vermintes Gelände: Den Visionen von einer prosperierenden Region, von einer neuen Seidenstraße, stehen düstere Ahnungen eines "Schlachtfelds der Zukunft" entgegen, wie ein programmatischer Buchtitel lautet. Während Kasachstan unter dem autoritären Regime von Nursultan Nasarbajew eine rasante wirtschaftliche Entwicklung durchmacht, werden Tadschikistan und Kirgistan fast schon mit "Failed States" verglichen. Auch der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um Berg-Karabach kann jederzeit explodieren: Das aserbaidschanische Militär hat erst am Samstag offen erklärt, ein neuer Krieg sei "unvermeidlich". Dann könnte auch die Lage für Investoren rasch ungemütlicher werden.
Dazu kommt, dass Russland Konkurrenz in seinem Ex-Hinterhof mit Argwohn verfolgt. Ohnehin vergleichen Beobachter die Lage seit dem Zerfall der UdSSR mit einem neuen "Great Game". Der Begriff kommt aus dem 19. Jahrhundert, der Zeit des Imperialismus, als Russland und Großbritannien in Zentralasien um Einfluss rangen. Neben Russland, der EU und den USA mischt im Kampf um die immensen Rohstoffvorräte der Region diesmal auch das neu erstarkte China mit - wie das "große Spiel" des 21. Jahrhunderts ausgeht, ist noch nicht entschieden.
Siehe auch:World Economic Forum lotet seine Grenzen und Zonen aus