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Neue Stellvertreterkriege im Nahen Osten

Von Stefan Haderer

Gastkommentare
Stefan Haderer ist Kulturanthropologe und Politikwissenschafter.

Das Pulverfass im Nahen Osten von Syrien bis Israel ist dabei, zu explodieren. Gleichzeitig wird ein unabhängiger Palästinenserstaat immer unrealistischer.


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Inmitten der Wirren der Arabischen Revolution, in der unterschiedliche Rebellengruppen den Kopf des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad fordern, liefern einander Palästinenser und Israel gefährliche Raketengefechte, das Hamas-Regierungsgebäude in Gaza wurde zerbombt. Nicht nur, dass dadurch der Traum von einem unabhängigen Palästinenserstaat, an den auch der wiedergewählte US-Präsident Barack Obama glaubte, in ungreifbare Ferne rückt - ein Flächenbrand breitet sich aus, der durch unterschiedliche Machtinteressen der Parteien kaum zu löschen ist. Die Armeen Israels und Syriens sind dabei Schachfiguren politischer und religiöser Mächte, und wieder einmal wird ein Stellvertreterkrieg geführt.

Bereits 2006, als israelische Streitkräfte gegen die libanesisch-schiitische Hisbollah kämpften, standen mehr als rein regionale Interessen auf dem Spiel: Die USA zogen schon nach der Wahl Mahmud Ahmadinejads zum iranischen Präsidenten in Erwägung, militärisch gegen den Iran vorzugehen. Eine Schwächung der Hisbollah kam dabei nur gelegen. Wiederholt sich jetzt die Geschichte, wenn abermals US-Strategen eine Front gegen Syrien aufgebaut und europäische Eliten für sich gewonnen haben und womöglich eine Bodenoffensive Israels unterstützen?

In Ahmadinejad, dem Präsidenten des schiitischen Gottesstaates Iran, hat der syrische Machthaber Assad, der selbst der alewitisch-schiitischen Minderheit im Land angehört und seine Armee auch nach ethnisch-religiösen Kriterien ausgestattet hat, einen treuen Verbündeten im Kampf gegen die gemeinsamen Feinde USA und Israel gefunden. Ein Krieg gegen den Iran ist noch nicht Realität geworden, ein Stellvertreterkrieg gegen das syrische Regime und eine Invasion in den Gazastreifen könnten den USA und Israel allerdings als Vorbereitung und Vorwand dazu dienen. Israel befindet sich auch nach dem Arabischen Frühling in einer isolierten Position und kann jetzt, wo es von der Hamas und vom Iran bedroht wird, zwar im Alleingang handeln, es ist jedoch auf militärische Hilfe vom Westen angewiesen.

Bis jetzt ist es den USA gelungen, die EU von der Notwendigkeit zu überzeugen, ihrem Verbündeten im Kampf gegen die Hamas, die Hisbollah und den Iran zu helfen. Die Frage ist nur, in welcher Form Europa dieses Mal in einen hoffnungslosen Konflikt hineingezogen wird, falls die UNO bei der Lösung versagt. Dies ist nicht unwahrscheinlich, denn Ägypten scheint als Vermittler zwischen Israelis und Palästinensern kaum geeignet.

Der Arabische Frühling hat zur Stabilisierung im Nahen Osten jedenfalls nicht beigetragen. Die vom streng islamischen Emirat Katar finanzierten Rebellen in Syrien sind ebenso an der Schwächung Israels interessiert wie Assads Regimetreue. Abgesehen vom Iran zeigen sich auch die neuen Regierungen Ägyptens und Tunesiens solidarisch mit den Palästinensern im Gazastreifen und werden ihnen militärische Rückendeckung geben, falls israelische Truppen tatsächlich einmarschieren. Daran können auch der Sturz Assads und Ahmadinejads nichts ändern.