Zum Hauptinhalt springen

Neue Tests, neue Strategie

Von Simon Rosner

Politik

Es bräuchte Tests zur Diagnose einer Erkrankung und Tests zum Nachweis der Infektiosität. Gibt es die?


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

In einer gefühlt fernen Vergangenheit war es einmal so: Wer krank war, ging zur Ärztin, wurde untersucht und gegebenenfalls Tests unterzogen. Das konnte ein Bluttest sein oder auch ein Röntgen. Diese Verfahren helfen Ärzten bei der Erstellung ihrer Diagnosen, und sie sind in der Regel nicht die einzigen Kriterien, die herangezogen werden.

Vor ein paar Jahren las man aus den USA skurrile Berichte, wonach sich Ganzkörper-Scans als Geburtstagsgeschenk wachsender Beliebtheit erfreuen sollen. Junge Menschen erhielten von ihren Liebsten, die fleißig zusammenlegten, sündteure Tomografie-Gutscheine. Dann ließen sie ihre gesunden Körper durchleuchten, man weiß ja nie, was man alles entdeckt, wenn man genau schaut. Und leider entdeckt man dann tatsächlich oft dies und jenes, das irgendwie "auffällig" ist, aber auch alles und nichts bedeuten kann. Krank ist man nach so einem Befund nicht. Aber ist man dann noch gesund?

Die Wirklichkeit in Corona-Zeiten hat mehr mit der zweiten als mit der ersten Schilderung zu tun. Das war im März noch anders. Damals wurde nur getestet, wer Symptome hatte, also krank war, und engen Kontakt mit einer infizierten Person hatte oder in einem Risikogebiet war. Das sollte erstens die knappen Testressourcen priorisieren, zweitens sollte eine gewisse Vortestwahrscheinlichkeit vorliegen. Diagnostische Verfahren können manchmal falsche Ergebnisse liefern, oder, wie etwa im Fall der Ganzkörper-Scans, bisweilen unklare. Daher ist stets das Gesamtbild wichtig.

Heute wäre eine Einschränkung auf Risikogebiete unsinnig, das Virus ist überall. Doch im Laufe der Zeit wurde die Teststrategie in Österreich immer stärker ausgeweitet, sodass mittlerweile täglich etwa 20.000 Proben analysiert werden. Die meisten davon, in Wien sind es acht von neun Getesteten, sind Kategorie-1-Kontakte. Manche sind auch krank, die meisten aber nicht. Da sie aber engen Kontakt mit Infizierten hatten, gelten sie als ansteckungsverdächtig, werden behördlich abgesondert und getestet. Bei insgesamt 36 Prozent der positiven Fälle werden aktuell keine Symptome beim Test festgestellt.

PCR bleibt für Diagnostik der Goldstandard

Österreich nähert sich bald der Zwei-Millionen-Marke bei Corona-Tests. Aktuell und pro Einwohner gerechnet ist Österreich im Vorderfeld in Europa, wenn auch nicht an der Spitze. In den vergangenen Tagen wurde eine Änderung der Teststrategie von diverser Seite gefordert, ein Vorschlag von Rot-Kreuz-Manager Gerry Foitik fand am Montag medial große Beachtung. Er hält es für sinnvoll, weniger Kontaktpersonen zu testen, wenn sie keine Symptome aufweisen. Das spare Ressourcen.

Was die richtige Strategie betrifft, ist es zielführend, sich die eingangs erwähnte Schilderung aus der "Vergangenheit" zu vergegenwärtigen. Das Coronavirus verursacht bekanntlich Covid-19, das durch seine breite Symptomatik ohne Testnachweis nur schwer zu diagnostizieren ist. Hier bietet der gängige PCR-Test einen sehr guten, sehr genauen Nachweis. Wer krank ist und einer wie immer auch gearteten Behandlung bedarf, kann durch dieses Verfahren gut diagnostiziert werden.

Das Coronavirus stellt aber nicht nur für Infizierte eine Bedrohung dar, sondern auch für die Allgemeinheit. Es verbreitet sich epidemisch in der Bevölkerung. Deshalb wird der PCR-Test nicht nur bei erkrankten Personen zur Diagnose eingesetzt, sondern auch, um eine Infektion nachzuweisen, um damit die Allgemeinheit besser schützen zu können.

Das PCR-Verfahren ist allerdings aufwendig, weshalb seit Monaten Fachleute auf drohende Engpässe hinweisen. In normalen Jahren werden im Jänner und Februar bis zu 30.000 Grippe- und Erkältungsfälle pro Tag registriert. Die Symptomatik bei Covid-19 ist aber ähnlich. Dazu kommen noch die tatsächlichen Corona-Fälle, die Tests der Kontaktpersonen, die Screenings in heiklen Bereichen (Pflege, Krankenhaus) und im Tourismus. Auch wenn heuer durch Hygienemaßnahmen mit einem unterdurchschnittlichen Infektionsgeschehen gerechnet wird, abseits von Corona, ist klar: Das geht sich nicht aus. Es bräuchte wohl nicht 20.000, sondern eher 120.000 Tests pro Tag.

Doch es gibt nun auch andere Verfahren, sie stellen eine wichtige Erweiterung der Möglichkeiten dar. Forscher des Vienna BioCenter haben eine Methode entwickelt, die schneller (30 Minuten) und deutlich günstiger ist. Und sie benötigt auch weniger Geräte und speziell ausgebildetes Personal. Dieses RT-LAMP genannte Verfahren erzeugt eine Reaktion der Viren-RNA, die visuell sichtbar ist. Die Probe ändert, je nach positiv oder negativ, seine Farbe. Die Sensitivität ist sehr hoch, aber nicht ganz so hoch wie die PCR, diese bleibt der Goldstandard und liefert den besten Nachweis im Rahmen der Abklärung eines Krankheitsbildes.

Nicht mehr oder noch nicht infektiös?

Doch RT-LAMP könnte bei den Screenings zum Einsatz kommen, also bei grundsätzlich gesunden Personen, die aber entweder beruflich eine erhöhte Infektionswahrscheinlichkeit aufweisen (Schlachthof, Erntearbeit) oder mit besonders vulnerablen Gruppen arbeiten (Pflege, Gesundheit).

Anschober wird sich am Mittwoch vor allem dem Einsatz der Antigen-Schnelltest widmen, die spezifische Proteine aufspüren. Das ist das einfachste, günstigste Verfahren und ist mengenmäßig auch skalierbar. Es ist jedoch auch das ungenaueste. Bei einem Erkrankten, der negativ getestet wird, kann dennoch Covid-19 vorliegen. Daher eignen sich diese Tests nur zu einer diagnostischen Vorab-Klärung, etwa in Arztpraxen. Doch eine Hoffnung besteht auch darin, mit den Antigentests eine Aussage über die Infektiosität treffen zu können.

Beim PCR-Verfahren lässt sich ein Wert ermitteln, der eine Aussage über die Viruskonzentration trifft, der sogenannte Ct-Wert. "Es ist ein indirekter Marker", erklärt der Virologe Robert Strassl von der MedUni Wien. Je höher dieser Ct-Wert, desto geringer ist die Viruslast. Ab einem Wert von 30 geht man nicht mehr von einer Infektiosität aus, auch wenn das vereinzelt nachgewiesen wurde. Daher rührt auch die Idee, Antigentests als Detektor der Infektiosität zu verwenden, da er nur bei höherer Viruskonzentration, die mit Infektiosität korreliert, anschlägt. Dafür ist es verlässlich.

Es gibt dabei ein Problem: Ein Infizierter kann noch ein bisschen Virus in sich tragen - oder die Infektion beginnt gerade. Gerade in der präsymptomatischen Phase passieren viele Ansteckungen, da sich die Patienten in spe noch gesund fühlen, das Virus (und damit die Infektiosität) aber immer weiter zunimmt.

© reuters/Ralph Orlowski

Diskutiert wird, ob Erkrankte, die auf dem Weg der Besserung sind und einen hohen Ct-Wert aufweisen (geringe Viruslast), früher aus der Quarantäne erlassen werden können. Auch hier ist die ärztliche Gesamtschau notwendig. Doch sind diese Tests auch bei Gesunden sinnvoll? Bei Kontaktpersonen? Wer nicht krank ist, kann noch nicht krank, aber infiziert sein. Das wäre noch kein Problem für die Allgemeinheit, wenn die Person nicht infektiös ist. Darum geht es ja. Doch dabei ist zu beachten: Gibt es keinen Nachweis der Infektiosität, gilt dies nur für den Zeitpunkt des Tests. Am Tag danach kann es anders aussehen. Und dass gerade innerhalb von Familien manche erst Tage später erkranken, ist bei einer Inkubationszeit von rund fünf Tagen keine Seltenheit. Will man also Infektiosität prüfen, muss man dies wohl sehr häufig tun.