Typische Muster bei Krankheits- und Alterungsprozessen. | Einer der Forscher stammt aus St. Pölten. | Tübingen. Vier für Alterungsprozesse signifikante Biomarker haben Forscherteams der deutschen Max-Planck-Gesellschaft in Ulm und der "mosaics diagnostics" in Hannover identifiziert. Die Marker treten bei älteren und kranken Menschen um das Doppelte vermehrt auf. Mit der neuen Erkenntnis könne die Regenerationsfähigkeit von alten Zellen, speziell von Stammzellen, verbessert werden, ebenso Prävention, Anti-Aging sowie Nahrungsmittelzusätze, sagte Karl Lenhard Rudolph (Ulm).
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Das chronologische Alter von Patienten stimmt nicht immer mit dem biologischen überein. Diese Differenzierung ist unter anderem wesentlich für die medikamentöse Therapie oder hinsichtlich der Verträglichkeit von chirurgischen Eingriffen bei Alterspatienten.
Mit dem aus St. Pölten stammenden Protein-Spezialisten Harald Mischak (Hannover) fand Rudolph bei Untersuchungen an Säuger-Zellkulturen heraus, dass bei Vorliegen einer DNA-Schädigung vier Biomarker vermehrt als Proteine aus dem Zellverband ausgeschleust werden. Diese Marker, die auch im Blut von Menschen nachweisbar sind, korrelieren quantitativ mit Alter und Erkrankung des Patienten.
Bei alten, kranken Menschen liegt die ausgeschiedene Menge deutlich höher als bei gesunden, die Biomarker werden aber auch bei jungen Menschen gebildet. Schwere Erkrankungen wie Leberzirrhose bei über 50jährigen, berichteten die Wissenschafter, führten zu um das Doppelte erhöhten Werten für die vier Biomarker. Die gleiche Leber-Patientengruppe wies überdies deutlich kürzere Telomere in der DNA auf, was die Zellalterung beschleunigt. Mischak erhöhte die Sensitivität der Untersuchungsmethode an Zellkulturen weiter durch mathematische Algorhythmen. In Verbindung mit CE (Kapillar-Elektrophorese) und MS (Massenspektrometer) identifizierte er die vier Biomarker.
"Quantensprung"
Den Nutzen ihrer Entdeckung sehen die Wissenschaftler vorerst in einer individualisierten, personalisierten Therapie für die Patienten. Bereits jetzt können die vier Biomarker in der Klinik herangezogen werden, um zu erfahren, ob sich ein älterer Patient nach einer schweren Operation wieder erholt, betonte Rudolph. Zukünftig lasse sich damit auch die Zellalterung in adulten Stammzellen beeinflussen. Mit molekularen Therapien können alternde Stammzellen reaktiviert werden.
Für ältere Menschen kann diese Entdeckung zu einer längeren Lebensspanne ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen führen. Ebenso können mithilfe der vier Biomarker Krankheits-Prävention, Anti-Aging sowie die Suche nach neuen Nahrungsmittel-Zusätzen verbessert werden.
Nach Mitteilung von Joachim Conrads, Vorstandsvorsitzender der mit Proteomik (der Erforschung der Gesamtheit aller Proteine in einer Zelle) befassten mosaiques diagnostics, weisen nicht nur spezifische Alterungsprozesse solche typischen Protein-Muster auf, sondern auch konkrete Krankheitsprozesse wie Krebs, Alzheimer, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Nierenerkrankungen. Conrads sprach im Zusammenhang mit der Entdeckung der vier Biomarker für die Lebensalterung von einem "Quantensprung."
Es sei auch der Nachweis erbracht worden, dass qualifizierte Versuchsergebnisse beim Tier mit den Protein-Mustern beim Menschen weitgehend übereinstimmen. Damit könnten die Wirkstofftests für die Entwicklung neuer Medikamente nicht nur extrem verkürzt, sondern bedeutend sicherer werden, sagte Conrads weiter. Katastrophale klinische Test am Menschen mit beklagenswerten Opfern unter Versuchspersonen könnten somit weitgehend ausgeschlossen werden.
Die Einführung der Protein-Muster in die Diagnose ist der Schlüssel zur frühen und exakten Erkennung von Krankheiten und zu deren individueller Heilung. Eine individualisierte Therapie kann hier ansetzen.