Inkrafttreten im Frühjahr geplant. | Ex-Premier Gyurcsany sieht das Ende der Demokratie. | Budapest. Seit Wochenbeginn berät das ungarische Parlament über eine neue Verfassung. Nach dem Willen von Ministerpräsident Viktor Orban soll sie am 15. März in Kraft treten, dem Nationalfeiertag der Märzrevolution von 1848/49. Die Opposition, allen voran die sozialistische MSZP mit Ex-Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany an der Spitze, sieht diesem Tag mit Schrecken entgegen. Denn dann werde das Ende der parlamentarischen Demokratie besiegelt, weil Orban nichts als absolute Macht anstrebe. Die MSZP hat deshalb für den 27. November zu einer Großkundgebung aufgerufen.
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Mit seiner satten Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament kann Fidesz die geltende Verfassung aus dem Jahre 1949 im Alleingang novellieren und dabei nach Belieben ändern. Aus Sicht der Opposition ist vor allem das hohe Tempo bedenklich, das die Regierung bei der Reform anschlägt. Unmittelbar nach seinem Wahlsieg hatte Orban gesagt, Verfassungsänderungen gehörten nicht zu den dringendsten Vorhaben seiner Regierung. Nun heißt es, die Verfassungskommission werde ihre Beratungen bis Jahresende abschließen.
Bisher nur Stückwerk
In ihren schlimmsten Befürchtungen sieht sich die Opposition dadurch bestätigt, dass die Kompetenzen des Verfassungsgerichts beschnitten werden sollen, wodurch die wichtigste Kontrollinstanz im Lande deutlich geschwächt würde. Zuletzt hatten die Verfassungsrichter ein Gesetz der Orban-Regierung über Abfindungen für ehemalige Staatsbedienstete kassiert.
Dabei besteht an sich Einigkeit, dass die Verfassung, die unter Juristen nur "das Stückwerk" heißt, endlich geändert werden muss. Ende der neunziger Jahre unternahm der sozialistische Ministerpräsidenten Gyula Horn einen Versuch, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nicht wesentlich veränderte Verfassung grundlegend zu reformieren. Das Vorhaben scheiterte jedoch gerade am Widerstand des Fidesz.
Mitte Oktober richtete die Regierung eine Homepage zur Arbeit der Verfassungskommission ein. Allzu viel Konkretes zur geplanten Novelle dringt trotzdem nicht nach außen, zumal sich Regierungspolitiker gern auf Allgemeinplätze zurückziehen. So sähe Staatspräsident Pal Schmitt aus der geltenden Verfassung gern alles übernommen, was "gut ist und sich bewährt hat". Zuletzt sickerte durch, dass ein Abtreibungsverbot verankert werden soll. Eingang in die Verfassung soll offenbar auch ein Passus über die seit dem Jahre 2000 im Parlament ausgestellte "Heilige Ungarische Krone" als Symbol der ethnischen Einheit der Nation finden.