Weithin unbemerkt in und um Wien herum geht im äußersten Westen Europas eine neugewählte Regierung daran, radikale Reformnägel mit Köpfen zu machen. Zumindest prinzipiell würde es also auch anders gehen, als uns die Vertreter der ewigen heimischen Konsenskoalition vormachen. Die britische Not-Koalition von Konservativen und Liberalen unter Premier David Cameron zeigt, wie es - zumindest theoretisch - auch gehen könnte.
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Das Spannende dabei ist, dass sich Cameron und sein Vize Nick Clegg nicht damit begnügen, Politik in ihren herkömmlichen Bahnen weiterzudenken. Beide haben den Anspruch, das Verhältnis zwischen den Bürgern und ihrem Staat auf neue Beine zu stellen. Natürlich zwingt das finanzielle Desaster, das Labour hinterlassen hat, zu radikalen Spar-Ansätzen. Aber die Lust an Innovationen liegt auch in der Natur der britischen Politik. Und diese neuen Wege dienen dann nicht selten dem Rest der westlichen Welt als Blaupause fürs Regieren. Man denke etwa an die radikal marktliberale Margaret Thatcher oder an Tony Blair, der auszog, die Sozialdemokratie zu erneuern. Beide regten auf ihre je eigene Art ihre Gesinnungskollegen rund um den Globus zur politischen Nachahmung an.
Nun sind Cameron und Clegg zur Überzeugung gekommen, dass den Bürgern wieder mehr Verantwortung für ihren ureigensten Lebensbereich übertragen werden sollte. Der Staat muss nicht für alles eine fix fertige Antwort parat haben, weshalb etwa Eltern mehr Mitsprache bei der Schule ihrer Kinder erhalten sollen, Hausärzte beim - extrem zentralistisch verwalteten - Gesundheitssystem und Wähler vor Ort bei der Auswahl ihres Polizeikommandanten.
Die Regierung will also nicht nur das Leistungsangebot der öffentlichen Hand kürzen, sondern die Nachfrage nach ihren Angeboten. Ein durchaus origineller Gedanke - und aus österreichischer Sicht geradezu revolutionär. Hier ist punkto Machtverschiebung vom Bund zu den Ländern die ultimative Grenze des politisch Vorstellbaren. Den Bürgern mehr Mitsprache einzuräumen, ist hierzulande allenfalls ein kurzfristiges taktisches Partei-Manöver, nicht aber ein Grundsatzprogramm.
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