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Neue Weinsorten wegen Klimaerwärmung gesucht

Von Petra Tempfer

Klimawandel

Wir können zwar etwas gegen den Klimawandel unternehmen - aufzuhalten ist er dennoch nicht. Österreich erarbeitet daher regionale Modelle zur Klimaanpassung. Das Förderprogramm ist europaweit einzigartig.


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Wien. Es war der heißeste Mai seit 1868; in Vorarlberg und vom Flachgau bis ins Nordburgenland ist es der trockenste Frühling seit 2003; in Kärnten und der Steiermark gab es wiederum doppelt so viel Regen wie in einem durchschnittlichen Frühling; und im Bezirk Neunkirchen in Niederösterreich fiel im Zuge des Unwetters am Dienstag in drei Stunden fast die gesamte Monatsmenge an Niederschlägen. Die Hagelversicherung bezifferte den Schaden für die Landwirtschaft mit 1,7 Millionen Euro. Die Regierungsspitze kündigte an, rasch Hilfe aus dem Katastrophenfonds prüfen zu lassen. Die SPÖ will den Helfern künftig eine unbürokratische Dienstfreistellung von ihrem Job ermöglichen, hieß es.

Es ist ein Frühling der Rekorde. Ein Frühling, wie er allerdings die Norm werden könnte. Die oft prophezeiten Folgen der Klimaerwärmung, durch die auch die Unwetterwahrscheinlichkeit steigt, werden spürbar. Aktuell ist es in Österreich schon um fast zwei Grad wärmer als 1880.

Wissenschaftliche Begleitung

Freilich kann man versuchen, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen, vonseiten der Politik wird das auch getan: Ende des Vormonats hat die Regierung die Klima- und Energiestrategie beschlossen, wonach etwa Strom bis 2030 gänzlich aus erneuerbaren Energien kommen soll. Der Strategie liegen die Klimaziele von Paris aus 2015 zugrunde: eine Vereinbarung der Mitgliedstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, die globale Erwärmung bis 2100 unter zwei Grad Celsius zu halten.

Aufzuhalten ist der Klimawandel dennoch nicht. Der Klima- und Energiefonds hat daher in Kooperation mit dem Umweltministerium das Programm "Klar!" gestartet, im Zuge dessen regionale Modelle erarbeitet werden sollen, inwieweit man auf die Veränderungen des Klimawandels reagieren könnte. Bereits seit Herbst 2016 haben 23 Regionen mit wissenschaftlicher Begleitung des Umweltbundesamtes und der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Zamg) an individuellen Anpassungskonzepten gearbeitet, 20 davon gehen jetzt in die Umsetzung. 2020 sind ein Monitoring und Adaptierungen geplant.

",Klar!‘ ist die erste Strategie dieser Art in Europa", sagte der Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds, Ingmar Höbarth, am Mittwoch. Dass man jede Region einzeln betrachtet, sei der Schlüssel dazu, dass Landwirte langfristig überleben können, ergänzte Josef Plank, Generalsekretär des Umweltministeriums.

Aufgrund seiner alpinen Lage unterliege Österreich dem Klimawandel stärker als der europäische Durchschnitt - bis 2050 sei damit zu rechnen, dass sich die Schäden auf eine Höhe von 8,8 Milliarden Euro jährlich "hinaufschrauben", so Höbarth weiter. Vor allem die Land- und Forstwirtschaft sowie der Tourismus seien betroffen.

Mit vorerst 2,1 Millionen Euro für das heurige Jahr will man den 20 Regionen "das richtige Handwerkszeug geben, um sich individuell auf die Bedrohungen wie Hitze oder Starkniederschlag vorzubereiten, Fehlinvestitionen zu vermeiden und rechtzeitig Gegenmaßnahmen zu setzen", sagte Höbarth. Ein neues Skigebiet in 2000 Meter Höhe zu eröffnen sei zum Beispiel wenig sinnvoll.

In weiterer Folge sollen diese für die Regionen "maßgeschneiderten Strategien" als Modelle dienen und auf die jeweils ähnlichen Regionen Österreichs umgelegt werden. Die 2,1 Millionen Euro seien allerdings hauptsächlich für die Installierung eines "Klar!"-Managers vor Ort, der mit den Betroffenen spricht und sich ein Bild der Lage macht, und etwaige Veranstaltungen vorgesehen. Daraus resultierende Investitionsmaßnahmen haben die Gemeinden laut Höbarth selbst zu tragen.

Hochwasser nutzen

Diese Maßnahmen könnten zum Beispiel so aussehen, dass man Hochwasser-Schutzdämme mit Zisternen kombiniert, aus denen man in der nächsten Dürreperiode das Wasser nutzen und auf den Feldern ausbringen kann. Oder, dass man Bäume als Schattenspender pflanzt. Um dem Schädlingsbefall entgegenzuwirken, könnten Forstwirte andere Baumsorten setzen - aktuell frisst sich der Borkenkäfer durch die heimischen Wälder, speziell die Fichten, und schädigt dabei die Bäume bis zum Absterben. Wärme und Trockenperioden begünstigen den Befall.

Auf andere Sorten möchte auch Reinhard Indraczek setzen. Indraczek ist Teil des Projektteams im Pulkautal im Weinviertel nahe der tschechischen Grenze. Die Region umfasst sechs Gemeinden, "und es gibt fast keine Familie, die nicht mit Wein zu tun hat oder davon lebt", sagte Indraczek. Das gemeinsam mit Experten der Zamg und der Universität für Bodenkultur Wien erstellte, 120 Seiten umfassende Konzept, in dem Prognosen und Szenarien für den Zeitraum bis 2050 einflossen, sieht für die Region beim Weinbau eine Bewirtschaftung mit neuen Rebsorten vor. Bewässert sollen diese über das weiter oben erwähnte Zisternen-Modell werden.

"Den Grünen Veltliner wird es weiterhin geben", versicherte Indraczek zwar, "aber er wird sich geschmacklich weiter verändern." Schon jetzt sei er um vieles weniger sauer als in der Großeltern-Generation. Auch die Weinsorten hätten sich bereits verändert: Gab es vor 30 Jahren noch 90 Prozent Weiß- und nur 10 Prozent Rotweine, so sei das Verhältnis heute 70 zu 30, sagte Indraczek.

Der Anteil der Rotweine werde weiterhin steigen. Neben dem Blaufränkischen werde der Zweigelt an Bedeutung gewinnen. Dennoch will man der Weißweinnachfrage auch in Zukunft gerecht werden. Neuburger und Riesling zum Beispiel seien gut trockenverträgliche Weißweinsorten, präzisiert der Präsident des Weinbauverbands, Johannes Schmuckenschlager, auf Nachfrage der "Wiener Zeitung".

Schauweingarten der Zukunft

Um Erfahrungen mit neuen Sorten zu sammeln, soll im Pulkautal in Zusammenarbeit mit der Weinbauschule ein Schauweingarten entstehen. Die Winzer der Region sollen diesen rund um die Uhr besuchen können und "mit ihm mitwachsen", sagt Indraczek, der in der Bewusstseinsbildung einen wesentlichen Schritt hin zu Anpassungsmaßnahmen sieht.

Unabhängig von "Klar!" hat das Umweltministerium auch mit den in Österreich tätigen Pflanzenzüchtern ein Projekt mit dem Ziel der Selektion und Züchtung trockenheits- und hitzetoleranter Kulturpflanzen wie Getreide, Leguminosen und Ölpflanzen - ohne Gentechnik - abgeschlossen. Die Pflanzenproduktion stehe dabei im Fokus und mit ihr die Erarbeitung von Strategien, heißt es. Diese reichten vom vermehrten Übergang auf Winterkulturen (vor dem Winter eingesät), die die Winterfeuchte besser nutzen, bis hin zu Kultur- und Sortenwahl.

Mit der globalen Erwärmung könnten allerdings auch positive Veränderungen auf Österreich zukommen - und zwar in Form von Touristen, denen es in Griechenland oder Spanien zu heiß zum Urlauben wird. Ländliche Regionen könnten wiederum von Sommerfrischlern aus dem eigenen Land profitieren, die aus den tropenheißen Städten fliehen.