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Neue Zelte, neue Versprechungen

Von Matthias Nagl

Politik

Während die Länder mit der Quartiersuche überfordert sind, wachsen vor dem Wochenende die Zeltstädte.


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Salzburg/Wien. Das nördliche Alpenvorland zeigt gerade, wie grauslich Frühling in Österreich sein kann. Dauerregen und sieben bis zehn Grad Celsius im Tal, Schnee auf den Bergen. Das verschärft auch die Umstände für die Flüchtlinge, die im Alpenvorland untergebracht sind. Ob Linz und Thalham in Oberösterreich oder die Stadt Salzburg, angenehm ist es im Moment nirgends.

Die Sportplätze, auf denen die Zelte stehen, sind vom Dauerregen aufgeweicht. Dass Schmutz in die Zelte getragen wird, lässt sich nicht verhindern. Die Flüchtlinge in den Zelten machen aber das Beste aus der Situation. "Es ist trocken und okay", sagt ein Flüchtling aus dem Irak, der in Salzburg auf dem Sportplatz der Polizeidirektion untergebracht ist. Vereinzelt steigt die Ungeduld, auch bei jenen Flüchtlingen, die schon seit vier Wochen in der Turnhalle der Polizeidirektion einquartiert sind. "Alles, was sie sagen, ist, wir müssen warten", erzählt ein Afghane.

Gegen die Kälte steht vor jedem der Zelte ein Heizaggregat, das warme Luft ins Innere bläst, außerdem wurden zusätzliche Decken ausgeteilt. Weil weitere Regenfälle vorhersagt sind, wurden ähnlich wie in Linz noch Holzplanken verlegt, um einen besseren Zugang zu den Zelten zu ermöglichen.

Während die Flüchtlinge mit den äußeren Widrigkeiten kämpfen, ist die Politik auf der Suche nach neuen Quartieren. Beim Krisengipfel zur Flüchtlingsunterbringung im Innenministerium haben die Bundesländer insgesamt 350 weitere Plätze gemeldet. Der Krisenkoordinator des Ministeriums Peter Webinger betonte allerdings, dass die Quartiere erst auf ihre Tauglichkeit geprüft werden müssen. Vorerst reagiert das Innenministerium für das Wochenende mit 24 weiteren Zelten. Je 12 werden in Linz und in Salzburg aufgestellt. Insgesamt werden dann 60 Zelte stehen.

Kommunikationsstörung zwischen Bund und Ländern

Ein Angebot des Landes Oberösterreich, kurzfristige Notunterkünfte für die in den Zelten untergebrachten Flüchtlinge zu schaffen, lehnte das Innenministerium ab. "Leider hat es die Innenministerin bis dato nicht geschafft, die geschaffenen, alternativen Notlösungen unbürokratisch im Sinne der Flüchtlinge anzunehmen", sagt Oberösterreichs Landesrätin Gertraud Jahn.

Auch diese Wortmeldung deutet auf ein massives Kommunikationsproblem zwischen Bund und Ländern hin. Während der Bund am Donnerstag seine wöchentlichen Krisengipfel startete, wollen die Flüchtlingsreferenten der Länder am 19. Juni eine außerordentliche Konferenz abhalten. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner begrüßte die Initiative zwar, hat mit dem späten Termin aber keine rechte Freude. "Die Zeit drängt ganz einfach", sagt sie.

Mikl-Leitner stellte zudem weitere Zeltstädte in den Raum: "Ich kann am kommenden Wochenende mit nichts anderem mehr aushelfen als mit noch mehr Zelten. Ich will aber nicht zusätzlich aufbauen, sondern die vorhandenen abbauen." Die hektische Suche der Länder nach Notquartieren geht demnach am Thema vorbei.

Das liegt an der Struktur des Asylwesens: Nach der Ankunft der Flüchtlinge in Österreich bis zur Zulassung zum Verfahren, in dem darüber entschieden wird, ob ein Flüchtling Asyl erhält oder nicht, ist das Innenministerium für die Betreuung zuständig. Sobald die Flüchtlinge zum Asylverfahren zugelassen sind, werden sie nach einem nach Bevölkerungsgröße gestaffelten Schlüssel zur Betreuung in die Bundesländer gebracht. So weit die Theorie.

In der Praxis überlagern sich die Kompetenzen aber. "Es gibt einfach zu wenige Länderquartiere, der Bund betreut mehr als 1000 Flüchtlinge, für die er gar nicht zuständig wäre", erklärt Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck. Das führt nun zu der absurden Situation, dass der Bund Flüchtlinge betreut, für die die Länder zuständig wären und die Länder hektisch nach Notquartieren suchen, um dem Bund bei der Erfüllung von Aufgaben zu helfen, für die sie eigentlich selbst zuständig wären. Deshalb fordert Mikl-Leitner die Länder auch vehement auf, weitere Flüchtlingsunterkünfte und nicht Notquartiere zu schaffen. Denn der Druck nimmt weiter zu. Die Zahl der Asylanträge sei allein im Vergleich zur Vorwoche um 60 Prozent gestiegen, heißt es aus dem Ministerium. Erst am Donnerstag veröffentlichte es Zahlen (siehe Grafik), aus denen hervorgeht, dass im April Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Oberösterreich besonders säumig waren. "Wenn Länder nun Turnhallen als Notquartiere anbieten, dann geht das am Bedarf vorbei", so Grundböck.

Die Asylnovelle bleibt umstritten

Die Koalition hat am Donnerstag zudem einen Abänderungsantrag zur Asylnovelle vorgelegt, die am Nachmittag vom Nationalrat behandelt und beschlossen worden ist. Kernpunkt ist eine Neuaufstellung des Asylsystems, die eine Entlastung der Erstaufnahmestellen (Traiskirchen, Thalham) und eine bessere Verteilung der Flüchtlinge bringen soll. Abgemildert wird auch jener umstrittene Passus, wonach Asylwerber, die in der ersten Instanz scheitern, die Grundversorgung verlieren, wenn ihrem Antrag keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wird. Die Neuaufstellung gefällt allerdings nur der Koalition. Die Oppositionsparteien lehnen sie geschlossen ab. FPÖ und Team Stronach wären restriktiver als die Koalition, Grüne und Neos gehen die Pläne indes zu weit.