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Neuer Anlauf, alter Koalitionszwist

Von Alexander Dworzak

Politik

ÖVP bleibt bei Nein, stellt Berechnung der SPÖ-Ministerin in Abrede.


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Wien. Ewig grüßt das Koalitions-Murmeltier: Zum wiederholten Male präsentierte Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek ihre Vorschläge einer Totalreform der Familienförderung - bereits im Juni lancierte sie einen entsprechenden Vorstoß, im Jänner begrüßte sie ein ähnliches Modell von Arbeiterkammer und Industriellenvereinigung. In der Vergangenheit stieß die SPÖ-Politikerin auf taube Ohren beim Koalitionspartner, und auch jetzt stehen ihre Chancen kaum besser.

Nunmehriger Anlass ist das am Mittwoch präsentierte "Frauenbarometer", eine vierteljährlich durchgeführte Online-Umfrage unter Frauen und Männern. "Schlecht informiert" fühlten sich die Österreicher laut der Frauenministerin über die angebotenen Familienleistungen - für die der Bund 5,3 Milliarden Euro pro Jahr ausgibt. Zwar sind einige Leistungen etabliert, vor allem die Familienbeihilfe, die 91 Prozent der Befragten kennen, sowie Schülerfreifahrt und Schulbuchaktion. Doch nur einem Drittel ist die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten geläufig, und am unteren Ende der Skala rangiert der Familienhospizkarenz-Zuschuss mit lediglich sieben Prozent Bekanntheit. Mäßige Noten erhielt auch das Kinderbetreuungsangebot.

Heinisch-Hosek möchte, wie sie sagt, den "Dschungel roden" und "das Labyrinth aus Frei- und Absetzbeträgen" durch völlig neue Strukturen für die Familienförderung ersetzen: Sie sieht eine Erhöhung der Familienbeihilfe von derzeit mindestens 105 Euro auf 225 Euro pro Monat vor, ab dem 15. Lebensjahr des Kindes sollen es 240 Euro sein. Alleinerziehende erhalten für jeden Sprössling 275 Euro monatlich, Eltern von behinderten Kindern 365 Euro. Im Gegenzug sollen der Absetzbetrag von rund 58 Euro pro Kind und Monat, die Mehrkindstaffel und der Alleinverdiener-Absetzbetrag fallen.

Plus oder Minus?

Gegenüber dem bisherigen Modell sei ihr Vorschlag um 150 Millionen Euro billiger, sagt Heinisch-Hosek, zudem sofort umsetzbar, da keine Steuerreform eingeleitet werden müsse. Mit der eingesparten Summe möchte sie zusätzliches Personal für Kinderbetreuung finanzieren. Gegenwind kommt aus dem Kabinett von Familienminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Das Modell der Frauenministerin sei "nicht schlüssig und auch teurer als das Jetzige", heißt es auf Anfrage der "Wiener Zeitung". Auch beim Thema Frauen in Aufsichtsräten befinden sich die Koalitionsparteien auf Konfrontationskurs (siehe Artikel rechts).

Mit Kritik an der SPÖ-Ministerin sparen auch die Grünen nicht. Heinisch-Hosek betreibe "reine Ankündigungspolitik", so Familiensprecherin Daniela Musiol. Die Wirtschaftskammer fordert die Ausweitung der Absetzbarkeit von Betreuungskosten auf bis zu 14-Jährige statt des angedachten Endes der Förderung.

Quoten und "kostenlose" Arbeit

(da) Keinen Kompromiss finden SPÖ und ÖVP auch beim lange anhaltenden Streitthema Frauenquoten in Aufsichtsräten. Frauenministerin und SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek gilt als leidenschaftliche Befürworterin; sie erhielt im September Unterstützung von EU-Justizkommissarin Viviane Reding. Der Luxemburgerin zufolge sollen 40 Prozent der Aufsichtsräte in börsenotierten Unternehmen bis 2020 weiblich besetzt sein - ein nicht offiziell verabschiedeter Vorschlag, der daher auch innerhalb der Kommission sowie in einigen Mitgliedsländern mit teils heftiger Kritik aufgenommen wurde.

Sie freue sich auf einen "interessanten Kampf" mit den Gegnern ihres Vorhabens, lässt Reding nun ausrichten. Zu diesen zählen derzeit zehn Staaten, darunter mit Großbritannien ein EU-Schwergewicht. In Deutschland ringen wie auch in Österreich die Koalitionspartner um eine einheitliche Linie, sogar innerhalb der Regierungsmannschaft der konservativen CDU verlaufen die Bruchlinien: Während Arbeitsministerin Ursula von der Leyen als Quotenbefürworterin gilt, sagt die Chefin des Familienressorts, Kristina Schröder, strikt Nein.

Derzeit sind lediglich 14 Prozent aller Aufsichtsräte in der EU Frauen; ohne Regelung wäre erst in 40 Jahren die Lücke zwischen Frauen und Männern geschlossen.

Eine enorme Kluft tut sich auch beim Gehaltsniveau beider Geschlechter auf. In der Europäischen Union, insbesondere in Österreich, ist man von gleichem Lohn für gleiche Arbeit noch immer weit entfernt. Männer verdienen hierzulande durchschnittlich um 23,7 Prozent mehr als Frauen in einer Vollzeitbeschäftigung. Statistisch betrachtet werden Frauen dieses Jahr also nur bis 6. Oktober bezahlt und arbeiten in den verbleibenden 87 Tagen "gratis". Auf dieses Ungleichgewicht machen diverse Interessensgruppen anlässlich des "Equal Pay Day" am Samstag aufmerksam.