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EU-Kommission will Dublin-Regeln für Asylverfahren reformieren - Verteilungsschlüssel bleibt umstritten.
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Brüssel. Dublin III, Dublin plus oder gar kein Dublin mehr? Die nach der Hauptstadt Irlands benannte Regelung zu Asylverfahren ist bereits seit Jahren umstritten. Und trotz mehrerer Anpassungen ist seit spätestens ein paar Monaten klar: Es funktioniert kaum. In der Flüchtlingskrise ist das Prinzip, dass Schutzsuchende dorthin zurückgeschickt werden, wo sie erstmals EU-Territorium betreten haben, und sich dieses Mitgliedsland um den Asylantrag kümmert, nicht unbedingt angewandt worden.
Reformbedarf ortete die EU-Kommission denn auch schon vor knapp einem Jahr; nun präsentierte sie ihre Ideen dazu. Konkrete Gesetzesvorschläge sollen bis zum Sommer folgen.
So legte Vizepräsident Frans Timmermans zwei "Gedankenstränge" dar. Die eine Option würde er selbst als "Dublin plus" bezeichnen. Dabei würden die Kriterien für die Zuweisung der Zuständigkeit beibehalten, allerdings gäbe es einen "Fairness-Mechanismus", mit dem Flüchtlinge umverteilt werden, wenn ein Staat mit der Aufnahme überfordert wäre. Denn dass - teils in der Theorie - Länder mit Außengrenzen wie Italien und Griechenland und - in der Praxis - wenige andere wie Deutschland, Österreich oder Schweden die Hauptlast trügen, sei "nicht fair und nicht nachhaltig", befand Timmermans.
Der zweite Ansatz für die Zuweisung der Asylanträge aber würde darauf beruhen, dass deren Bearbeitung von Anfang an bestimmten Ländern zugewiesen würde. Grundlage wäre ein Verteilungsschlüssel, der die Größe, Wirtschaftskraft und Aufnahmekapazität eines Mitglieds berücksichtigt.
Eine mögliche dritte Option scheint derzeit so unwahrscheinlich, dass ihre Realisierung sogar für die Kommission "kurz- oder mittelfristig schwer vorstellbar" ist. Dennoch regt das Gremium an, die Verlagerung der Zuständigkeit für Asylanträge auf EU-Ebene zu erwägen. Dabei würden sich nicht mehr die nationalen Behörden mit der Bearbeitung befassen, sondern EU-Organisationen. Einspruch von den Mitgliedstaaten, die ihre Kompetenzen nicht abgeben wollen, ist damit allerdings programmiert.
Jedoch werden auch die ersten beiden Vorschläge noch für Diskussionen sorgen. Denn beide beinhalten etwas, wogegen es schon jetzt massiven Widerstand gibt: einen fixen Schlüssel zur Verteilung von Flüchtlingen. Solch eine Quote wird nicht nur von einigen osteuropäischen Ländern abgelehnt. Auch Frankreich, Großbritannien oder Spanien zeigen sich skeptisch. Dennoch beschloss im September des Vorjahres eine Mehrheit der EU-Innenminister die Umverteilung von bis zu 160.000 Flüchtlingen aus Italien und Griechenland.
Umsiedlung mit Hürden
Tatsächlich in andere Länder gebracht wurden aber erst an die tausend Menschen. Darüber sei er nicht "glücklich", stellte Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos klar. Doch liege das nicht an der Brüsseler Behörde, sondern an mangelndem politischen Willen der Regierungen.
Trotz dieser Rückschläge unternimmt die Kommission nun einen weiteren Versuch zur Etablierung eines permanenten Verteilungsmechanismus. Dieser wäre nämlich nicht nur die Basis für die Zuweisung der Asylverfahren, sondern auch der "Fairness"-Klausel. Diese "korrektive" Maßnahme würde greifen, wenn eine im Vorhinein definierte "Schwelle in der Zahl von Asylbewerbern von einem bestimmten Mitgliedstaat erreicht wird", heißt es in dem Kommissionspapier.
Denn auch wenn die Flüchtlingskrise nicht mehr akut wäre, werde das Thema Zuwanderung nicht verschwinden, argumentierte Timmermans. Daher sei es die Aufgabe der EU, "legale und sichere Wege nach Europa zu schaffen". Einer davon wäre die Umsiedlung der Schutzsuchenden von außerhalb der Union - wie es etwa das Abkommen mit der Türkei vorsieht. Gleichzeitig soll aber sichergestellt werden, dass sich Asylwerber nicht selbst das Land aussuchen, in dem ihre Anträge bearbeitet werden. Zu diesem Zweck wären Sanktionen wie der Verlust materieller Unterstützung denkbar, wenn die Menschen in ein anderes Land reisen.
Eine rasche Einigung auf all diese Vorschläge ist jedoch kaum in Sicht. Denn während sich beispielsweise Deutschland und Österreich offen gegenüber den Ideen zeigten, kamen aus Tschechien schon Einwände. Prag wandte sich einmal mehr gegen die Einführung einer Aufnahmequote.
Mehr Zustimmung gibt es da im EU-Parlament. ÖVP- und SPÖ-Abgeordnete begrüßten vor allem das Vorhaben zu größerer Harmonisierung der Asylverfahren und zu "fairer Verteilung". Auf diese pochen auch die Grünen. Dafür reichen allerdings "kosmetische Änderungen für Dublin" nicht.