Errichtung der Bankenunion bietet Konfliktpotenzial mit Zentralbank.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Brüssel. Europas Warten auf die deutsche Wahl ist zu Ende. Nun können endlich Entscheidungen fallen, könne über die Bankenunion und weitere Maßnahmen für die wirtschaftlich angeschlagenen Mitglieder beraten werden, hoffen die einen. Kurskorrekturen wiederum wünschen sich andere.
Die Erwartungen an Deutschland nach der Wahl sind hoch - als ob der gesamte Kontinent in den Wochen zuvor zum Stillstand gekommen wäre. Tatsächlich wurden etliche Beschlüsse verschoben und ist von europäischer Tragweite, wer die Regierung in der ökonomisch auf jeden Fall und politisch oft genug stärksten Volkswirtschaft in der EU bildet.
Doch ist dieses Bild auch verzerrt. Zum einen dauert es in der Union meist lang, bis Entscheidungen gefällt werden, da sich mehr als zwei Dutzend Staaten darauf einigen müssen - was nationale Urnengänge zusätzlich verzögern können. Und gewählt wird jedes Jahr irgendwo.
Zum anderen ist nun gewiss, dass es keine radikalen Änderungen in der deutschen EU-Politik geben wird. Der Sieg von Bundeskanzlerin Angela Merkel kann sowohl den südlichen Unionsmitgliedern bitter erscheinen, die gerne eine Abkehr vom strikten Sparkurs hätten. Aber auch Großbritannien könnte in seinen Hoffnungen enttäuscht werden, dass Deutschland ein Verbündeter in dem Bemühen sein könnte, den Nationalstaaten wieder mehr Kompetenzen zu übertragen. Denn Berlin wird auch weiterhin auf die Einhaltung der Haushaltsdisziplin pochen und sich um den Zusammenhalt der Eurozone sowie der gesamten EU bemühen.
Doch nun gehe es darum, dass nötige EU-Reformen wieder an Fahrt gewinnen, betont Janis Emmanouilidis von der Brüsseler Denkfabrik European Policy Centre (EPC). Als zentrale Aufgabe nennt er dabei die Errichtung der Bankenunion. Doch stelle sich die Frage, welche Qualität dieses Instrument haben werde. Dabei biete sich Konfliktpotenzial genug.
Eine Einigung auf eine europäische Aufsicht der Geldinstitute gibt es zwar schon. Doch wird derzeit um einen gemeinsamen Mechanismus zur Abwicklung maroder Häuser gerungen. Auch dabei möchte die Europäische Zentralbank eine gewichtige Rolle spielen - wogegen der jetzige und wohl auch künftige Finanzminister Wolfgang Schäuble schon Einwände geäußert hat. Und auch wenn beide Seiten an einem Kompromiss interessiert seien, müsse die deutsche Regierung Klarheit schaffen, sagt Emmanouilidis: "Ist das, was wir erreicht haben, das Ende des Prozesses, oder sollten wir bei der Vertiefung der Wirtschaftsunion weiter gehen?" Die Antwort darauf ist noch offen.