Zu Pfarrerinitiative, Missbrauch gesellt sich ein Pfarrgemeinderats-Ausschluss.
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Wien. Als erst kürzlich die österreichischen Bischöfe im kärntnerischen Tainach zu ihrer traditionellen Frühjahrsversammlung zusammentrafen, schien sich die katholische Kirche in Österreich von den Skandalen und Erschütterungen der letzten Jahre wieder ein wenig erholt zu haben. Allerdings wurde die Bilanz zur Konferenz, die Kardinal Christoph Schönborn am Freitag in Wien präsentierte, neuerlich durch aktuelle Negativmeldungen getrübt.
Anstatt seinem Jubel über die stabil gebliebene Wahlbeteiligung bei den Pfarrgemeinderatswahlen Ausdruck verleihen zu können, musste sich der Erzbischof unangenehme Fragen über den angeblichen Ausschluss eines Kandidaten in der niederösterreichischen Pfarre Stützenhofen gefallen lassen. Wie bekannt wurde, war dort ein bereits gewähltes Mitglied des Pfarrgemeinderates aufgrund seiner homosexuellen Orientierung vom Pfarrer für das Amt nicht zugelassen worden. "Wir sehen uns diese Sache genau an", sagte dazu Schönborn und fügte hinzu, dass niemand aufgrund von Rasse, Religion oder sexueller Orientierung diskriminiert werden dürfe. Trotzdem sei die Funktion des Pfarrgemeinderates an eine Rahmenordnung gebunden, wonach jeder mit seinem Lebensstil so umgehen müsse, sodass "der mit den kirchlichen Vorgaben übereinstimmt", so der Kardinal. Um das Problem zu lösen, will er ein Gespräch mit dem betroffenen 26-Jährigen führen. Der aber kündigte zuletzt an, nicht zurücktreten zu wollen.
Kritik an Baby-Selektion
Im Dialog bleiben will Schönborn auch mit den "ungehorsamen Reformern" der Pfarrerinitiative unter der Führung von Ex-Generalvikar Helmut Schüller. Allzu weit will sich der Erzbischof in der Angelegenheit allerdings auch wieder nicht hinauslehnen: "Wir haben Grenzen genannt, die zu beachten sind, aber auch die Bereitschaft zum Gespräch", erklärte er und betonte die Bereitschaft beider Seiten für einen Kompromiss. Darüber hinaus müsse man aber auch sehen, dass sich in der Kirche heute mehr bewege, als wahrgenommen werde.
Dazu zähle auch die sukzessive Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen, sagte Schönborn und zeigte sich über den Fall zweier Ex-Zöglinge, die in den 1970er und 80er Jahren von einem Pater in der Klosterschule Mehrerau in Vorarlberg missbraucht worden sein sollen, "betroffen und bestürzt". Anstatt aber das Stift auf zivilrechtlichem Wege zu verklagen, riet der Kardinal den Männern, sich an die Opferschutzkommission von Waltraud Klasnic zu wenden, da dort Entschädigungen ohne Rücksicht auf eventuelle Verjährungsfristen zugesprochen würden.
Scharfe Kritik übte der Erzbischof wiederum am mangelnden Schutz für ungeborene Kinder in Österreich und rief insbesondere das Schicksal von Babys mit Behinderung in Erinnerung, die zu 90 Prozent der Fälle vor der Geburt "selektiert" und abgetrieben würden. Und das, obwohl eugenische Maßnahmen laut EU-Vertrag verboten seien. "Es kann ja nicht sein, dass nur perfekte und gewünschte Kinder ein Lebensrecht besitzen", klagte der Kardinal und warnte im gleichen Atemzug vor einer Aufweichung des Fortpflanzungsmedizingesetzes.
Auf heftige Ablehnung in der Bischofskonferenz stieß auch ein kürzlich veröffentlichtes Rechtsgutachten eines saudi-arabischen Muftis, wonach alle christlichen Kirchen auf der arabischen Halbinsel zerstört und ihr Neubau in Hinkunft verboten werden sollen. Der Erlass sei "inakzeptabel" und gefährde die Existenz der Christen in der Region, hieß es.