Behindertenverbände beklagen fehlende Einbindung bei Corona-Maßnahmen.
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Fast 16 Prozent der Bevölkerung, das sind 1,4 Millionen Menschen, leben in Österreich mit einer Behinderung. Die Corona-Krise habe nun umso mehr verdeutlicht, dass deren Rechte nicht ausreichend wahrgenommen werden, sagte Behindertenanwalt Hansjörg Hofer am Montag in einer Pressekonferenz von Lebenshilfe, Behindertenrat und -anwaltschaft. Denn: Sie seien nicht in den Maßnahmenerlass der türkis-grünen Bundesregierung miteinbezogen worden, so die Kritik anlässlich des europäischen Protesttages zur Inklusion am 5. Mai.
"In den letzten sechs Wochen beobachteten wir einen neuen Ausschluss von Menschen mit Behinderung in gesellschaftlichen Entwicklungen", sagte Germain Weber, Präsident der Lebenshilfe Österreich. Und das, obwohl laut UN-Behindertenrechtskonvention "nicht über, sondern mit uns entschieden werden muss", ergänzte Hofer. Mit der aktuellen Vorgehensweise setze man sich über diese Tatsache hinweg. Täte man das nicht, hätte man die Krise nutzen können, um Vorhaben zu realisieren, so Hofer. Seiner Ansicht nach sollte etwa bei der künftigen Vergabe öffentlicher Gelder die Barrierefreiheit zwingend vorgesehen sein - dem Behindertengleichstellungsgesetz folgend, das eigentlich schon seit 2016 voll in Kraft ist.
Behindertenanwalt Hofer für Inklusionsfonds
Vor allem aber auch, was die für Menschen mit Behinderung ohnehin schon schwierige Arbeitsmarkt-Situation betrifft, müssten jetzt die Weichen für die Zeit nach der Krise gestellt werden, so Hofer. Die Regierung müsse ein Anreizsystem schaffen, um diese zu beschäftigen: etwa in Form eines Inklusionsfonds.
Menschen mit Behinderungen einzubinden sei wesentlich, heißt es dazu vom Sozialministerium. In Vorbereitung der Lockerungsverordnung habe man daher sehr wohl Gespräche mit dem Behindertenanwalt, dem Monitoringausschuss und Vertretern aus dem Behindertenbereich geführt und auf dieser Basis in Abstimmung mit dem Innenministerium eine entsprechende Ausnahmeregelung für das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes in die Verordnung aufgenommen. Die Unzumutbarkeit des Tragens einer Maske könne nun durch ein ärztliches Attest nachgewiesen werden, so das Ministerium.
Tatsache ist laut Friederike Pospischil, Präsidentin der Lebenshilfe Niederösterreich, dass mehr als die Hälfte der Klienten der Lebenshilfe zurzeit zuhause und nicht im Wohnhaus oder der Tageswerkstätte betreut werden, weil Letztere geschlossen ist oder sie zur Risikogruppe gehören. Was die Anwesenheit im Wohnhaus betrifft, so ist es laut Pospischil allerdings so, dass Klienten nur 80 Tage im Jahr diesem fernbleiben dürfen. In den anderen Bundesländern differiere die Anzahl der Tage mitunter, das Grundprinzip sei aber ähnlich und liegt darin begründet, dass Plätze nicht ungebraucht besetzt werden.
In Niederösterreich bekomme die Trägerorganisation ab dem 81. Tag kein Geld mehr vom Land für diesen Platz. "Danach könnte er weg sein." Aufgrund der aktuellen Situation könnten die Tage nun knapp werden und Klienten am Ende des Jahres ihre Wochenenden womöglich nicht mehr zuhause verbringen. "Das schürt die Ängste in den Familien", so Pospischil.
Auf die Frage, ob hier eine Ausnahmeregelung geplant ist, hieß es vom Land Niederösterreich, dass die Tage, an denen sich die Klientinnen und Klienten aufgrund der Corona-Virus-Situation nicht in den Tagesstätten beziehungsweise im Wohnen befinden, als anwesend gewertet würden und keine Reduzierung der Pauschalen erfolge. Diese Vorgehensweise sei bis zumindest Ende Mai 2020 in Geltung. "Ob diese Regelung über diesen Zeitpunkt hinaus verlängert wird, hängt von den weiteren Entwicklungen der Covid-19-Pandemie ab", so das Land Niederösterreich.