Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Monatelang wurde die Öffentlichkeit von Berichten über moralische Fehltritte in der katholischen Kirche informiert. Zurzeit ist die Rekordzahl der Kirchenaustritte ein bestimmendes Thema. Sonntagvormittag brachte der ORF den Beitrag "Stadtmission - Von Wien über Paris nach Lissabon". Berichtet wurde über eine von Wien ausgehende Missionsreise katholischer Glaubensgruppen, die den Menschen auf den Straßen den christlichen Glauben wieder näher bringen wollen. Unter dem Motto: wenn die Menschen nicht in die Kirche kommen, dann kommt die Kirche eben zu ihnen, wurden Kontakte in U-Bahnen, Kaffeehäusern oder bei musikalischen Events gesucht. Das, was unter Kardinal Schönborn in Wien begann, wurde in Paris und Lissabon fortgesetzt und soll auch bald in Budapest und Brüssel stattfinden.
Diese im Prinzip begrüßenswerte Idee wirft auch eine Reihe von Fragen auf: Passiert hier wirklich Missionierung im Sinne von Bekehrung, oder ist es öffentliche Glaubensbezeugung engagierter Christen? Werden geschlossene Kontakte weitergepflegt? Ist nicht zu befürchten, dass Begeisterte enttäuscht werden, wenn sie mit der "Amtskirche" konfrontiert werden. Ich lebe seit Jahren in Wien, wurde in meiner Pfarre aber noch nie aktiv angesprochen: Das einzige Lebenszeichen, das ich regelmäßig erhalte, ist die Kirchensteuervorschreibung. Freilich: Der in der ORF-Sendung gezeigte Elan könnte auch zu einem neuen Aufbruch in eine attraktivere, zeitgemäßere Kirche führen.