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Neuer Kapitän, alter Trainer

Von WZ-Korrespondent Christian Weisflog

Politik

Machtduo soll Kontinuität sichern. | Noch-Präsident lässt Angebot offen. | Moskau. Bis vor kurzem wusste niemand, wie es nach dem Abtritt von Präsident Wladimir Putin im kommenden Frühjahr weitergehen sollte. Doch nun brauchte der Kreml nur zwei Tage, um das Geheimnis zu lüften. Klar scheint nun: In Russland bleibt auch ohne dritte Amtszeit Putins, die die Verfassung verbietet, alles beim Alten. Oder wie es der kremlnahe Polittechnologe Gleb Pawlowski kommentierte: "Die Mannschaft bekommt einen neuen Kapitän, der Trainer bleibt derselbe."


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Die erste Fernsehansprache des Präsidentschaftskandidaten Dmitri Medwedews, dem Putin erst tags zuvor den Segen als Präsidentschaftskandidaten erteilt hatte, wurde durch ein Verb geprägt: "sochranit" - "bewahren": "Was ist uns heute wichtig?", fragte er und gab gleich selbst die Antwort: "Stabilität, die Verbesserung der Lebensqualität und die Hoffnung auf eine lange und ruhige Entwicklung". Unter Putins Führung habe Russland in den vergangenen acht Jahren einen solchen Weg eingeschlagen. Darum sei es wichtig, diesen Kurs fortzuführen: "Dafür reicht es nicht, einen Präsidenten zu wählen, der diese Ideologie teilt. Mann muss auch die Handlungsfähigkeit der Mannschaft bewahren, die durch den aktuellen Präsidenten formiert wurde", betonte Medwedew und fügte an: "Ich halte es für unser Land daher für äußerst wichtig, das bedeutendste Regierungsamt für Wladimir Putin zu sichern."

Eine Antwort auf Medwedews Angebot blieb der russische Präsident vorerst schuldig. Im Prinzip hatte er aber bereits Anfang Oktober auf der Parteiversammlung der Kremlpartei "Einiges Russland" seine Bereitschaft signalisiert, Regierungschef zu werden. Unter zwei Bedingungen: Ein klarer Sieg von Einiges Russland bei den Parlamentswahlen und die Wahl eines würdigen Kreml-Nachfolgers, mit dem eine gute Zusammenarbeit möglich sei. Die erste Voraussetzung ist bereits erfüllt: Einiges Russland gewann die Parlamentswahlen Anfang Dezember mit über 64 Prozent der Stimmen. Am Sieg Medwedews bei den Präsidentschaftswahlen am 2. März bestehen angesichts Russlands "gelenkter Demokratie" ebenfalls kaum Zweifel.

In Präsidentenpose

Bei seiner Fernsehansprache trat Medwedew denn auch bereits wie der künftige Präsident auf - mit einer russischen Fahne im Hintergrund. Alle Sender gingen danach wieder zum Tagesgeschäft über. Diskussionen, Debatten - sie finden auf den russischen Bildschirmen nicht statt.

Der 42-jährige Medwedew ist ein enger Vertrauter des Präsidenten. Deshalb ist davon auszugehen, dass er sein Angebot mit Putin abgesprochen hat und dass dieser seinem politischen Zögling keine Absage erteilen wird. Ähnlich wie Anfang Dezember könnten somit auch die Präsidentschaftswahlen zu einem "Referendum für Putin" - den "nationalen Führer" - stilisiert werden.

Ideale Rollenteilung

Das Amt des Ministerpräsidenten würde es Putin erlauben, sich weiterhin auf dem außenpolitischen Parkett zu bewegen. Für seine härtere Gangart gegenüber den USA, Nato und EU zollen ihm die russischen Bürger viel Respekt. Um die Kontrolle auch innenpolitisch weitgehend zu behalten, könnte Putin eine Änderung des Kabinettsgesetzes genügen, welche die Kontrolle über die Sicherheitsministerien - Polizei und Geheimdienste - vom Präsidenten auf den Regierungschef übertragen würde. In den Händen des Präsidenten blieben dann noch der Oberbefehl über die Armee sowie der Atomkoffer.

Putin und Medwedew könnten sich also ideal ergänzen: Während der ehemalige KGB-Offizier Putin sich mit harter Hand um Außen- und Sicherheitspolitik kümmert, beschäftigt sich der Jurist Medwedew in dessen Schatten wie bereits in den vergangenen zwei Jahren als leiser, aber wohltätiger Landesvater mit wirtschaftlichen und sozialen Belangen.