Weniger als 200 Tage vor der Klimakonferenz in Kopenhagen nehmen Experten derzeit in Bonn den ersten Entwurf eines neuen Vertragstextes unter die Lupe. Die Reaktionen sind kritisch.
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Ausgerechnet die armen Regionen dieser Erde müssen bereits die mächtigen Auswirkungen des Klimawandels über sich ergehen lassen. Bislang zuverlässige traditionelle Wetterabläufe schlagen plötzlich Kapriolen und nehmen unberechenbare - oftmals extreme - Tendenzen an. Diese führen zu mehr Dürren, Flutkatastrophen oder höheren Wasser- und Lufttemperaturen.
Eine effektive "grüne Wirtschaft" verlangt nach Finanzspritzen und Technologien der fortgeschritteneren Industrien. Da es keine Zeit mehr zu vergeuden gilt, nimmt ein neuer anspruchsvoller Klima-Pakt zunehmend Gestalt an. Ende Mai verkündete Yvo de Boer, der oberste Klimahüter der Vereinten Nationen, dass der Vertragsentwurf bereits online veröffentlicht sei und von Anfang bis Mitte Juni in Bonn diskutiert würde.
"Das Dokument markiert einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu einem Folgeabkommen nach Auslaufen des Klimapaktes von Kyoto aus dem Jahre 1995", sagte der Chef der UN Klimakonvention. Zum ersten Mal liegt ein ernsthafter Vertragsentwurf auf dem Tisch, der als Grundlage für ein akzeptables Abschlussdokument dienen kann, wenn es im Dezember 2009 in Kopenhagen in die Endrunde der Regierungsverhandlungen geht.
Verhandlung um weniger Treibhausgase über 2012 hinaus
Von den Regierungen, die an den Verhandlungen zum Jahresende in Kopenhagen teilnehmen, wird erwartet, dass sie ein Abkommen schließen, dass das Kyoto-Protokoll von 1995 weit übertrifft, dessen Umsetzungsphase 2012 zu Ende geht. Die Vereinbarungen der Industrieländer zur Reduzierung von Treibhausgasen zielen auf den Umfang der Senkung, Verbesserungen im Emissionshandel und bei Kompensationsmechanismen sowie auf Fragen der Land- und Forstwirtschaft.
Die UNO hat mit dem ersten Textentwurf für das Kyoto-Folgeprogramm eine Reihe von rivalisierenden Vorschlägen von reichen und armen Nationen zur Abbremsung des Klimawandels vorgelegt. Die Vorlage enthält die Verpflichtung reicher Industriestaaten, bis zu zwei Prozent ihres Bruttosozialprodukts armen Ländern zur Verfügung zu stellen, damit diese aktiv die Folgen von Klimaschäden lindern können. Im Gegenzug verlangen die reichen von den ärmeren Mitgliedern der Klimakonvention, mehr für den Abbau der Luftverschmutzung zu tun.
Auch USA fühlen sich einem Kopenhagen-Protokoll verpflichtet
Der 53-seitige Entwurf des künftigen Kopenhagen-Protokolls spiegelt eine gemeinsame Vision der Staaten für ein Langzeit-Aktionsprogramm wider, das konkrete Maßnahmen für Schadensbegrenzung, Finanzierung, Technologie und Kapazitätsentwicklung enthält. Mittlerweile fühlt sich auch die neue US-Administration einem Kopenhagen-Potokoll und der sauberen Energie-Zukunft verpflichtet.
Zumindest hat der Energieausschuss des Repräsentantenhauses den "American Clean Energy and Security Act of 2009" - einen Hunderte Seiten dicken Plan zur Rettung des Weltklimas - erst einmal bestätigt. Beschlossen ist das ambitionierte Projekt, das CO2-Einsparungen von 83 Prozent bis zum Jahr 2050 vorsieht (Bezugsjahr 2005), damit aber noch lange nicht. Vor allem im Senat könnte es schwierig werden, eine Mehrheit für die versprochene Klimawende zu finden.
Daher wurde Präsident Obama zunächst wieder nach außen aktiv und versuchte Ende Mai in Paris reiche und arme Länder erneut davon zu überzeugen, die Bürden im Aufbegehren gegen den Klimawandel gemeinsam zu tragen. Gleichzeitig nahm sich Nancy Pelosi, die US-Parlamentschefin, zwei chinesische Top-Führer vor, um über Zusammenarbeit in Energie- und Umweltfragen zu beraten, wobei China´s Premierminister Wen Jiabao versicherte, dass Peking dem Weißen Haus beistehen würde, um positive Ergebnisse auf der nächsten Klimakonferenz voranzutreiben.
Kritische Reaktionen nach den ersten Sitzungstagen
Nach den ersten Verhandlungstagen haben sowohl reiche als auch arme Länder den Entwurf kritisiert, akzeptieren ihn jedoch eher halbherzig als Basis für die mühseligen Diskussionen in den nächsten sechs Monaten. "Wir empfinden einiges Unbehagen mit der Struktur der Vorlage", meint Jonathan Pershing, der die US Delegation bei den Bonner Diskussionen zwischen 180 Staaten leitet. "Der Text sollte ausgewogener sein", sagt Ibrahim Mirghani Ibrahim aus dem Sudan stellvertretend für die Gruppe der Entwicklungsländer einschließlich China und Indien.
Indien nörgelt hinter den Kulissen und beschwerte sich offiziell, dass das Bonner Vertragsmanuskript Elemente enthalte, die an den Grundfesten der internationalen Klimakonvention der UNO rütteln würden. Das indische Team unterstellt, dass die Autoren den Verhandlungstext zugunsten jener Länder hingebogen hätten, die entscheidende Paragraphen der Konvention umschreiben wollen.
Auch UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon meldete sich in dieser Angelegenheit vor der internationalen Geschäftswelt zu Wort, die er mit den Worten umschwärmte: "Sie haben den Scharfsinn und die Weitsicht durch das eigene Beispiel Massstäbe zu setzen, wo andere - auch Regierungen - noch hinterher hinken". Ban will dazu noch eigens im September einen Klimagipfel nach New York einberufen, damit dann im Dezember in Kopenhagen alles glatt über die Bühne geht.
Doch dafür werden in der ersten Junihälfte in Bonn sicher zahlreiche heiße Diskussionen um den Textentwurf des künftigen Klima-Protokolls geführt. Erst wenn sich alle Parteien der Konvention über ausreichend hohe Ziele einig sind, wird sich der Planet wirklich abkühlen können.