So lange MTV immer neue, noch aggressivere Jugendspiele propagiert, kann man noch kopfschüttelnd die Amerikaner (oder Deutschen) bedauern. Spätestens dann, wenn Regionalsender wie Radio Niederösterreich über neue Jugendexzesse berichten, wissen Eltern wie Schüler: Jetzt ist er da, der Wahnsinn, mitten unter uns.
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Genau das dachten sich wohl viele Radio-NÖ-Hörer, als das Dienstag-Vormittagsmagazin über eine eskalierende Plage an heimischen Schulen berichtete: "Cyber Mobbing". Was das ist? Schwache, unbeliebte oder peinliche Mitschüler werden nicht mehr in der Klasse gehänselt, sekkiert oder geschnitten. Nein, jetzt werden ihre Schwächen - am besten garniert mit "Beweisfotos" - gleich ins Netz gestellt, damit alle Welt etwas zu lachen hat. Je intimer und peinlicher das Foto, desto besser, von der halbnackten Klassensprecherin bis zum zugedröhnten Schulprimus. Quelle der Meuchel-Bilder sind entweder Mobiltelefon-Kameras oder Internet-Tratsch-Klubs wie Facebook. Bereits jeder zehnte Schüler soll betroffen sein.
Auch eine Psychologin von "Rat auf Draht" kam in der Sendung zu Wort. Sie warnte, es sei falsch, den Kindern nun Vorhalte zu machen, dass man sie ja vor der Mitgliedschaft bei Facebook und anderen Internet-Foren gewarnt habe. Vielmehr solle man den Veröffentlichern dieser Diffamierungen klarmachen, dass sie damit strafbare Handlung begehen. Tatsächlich mussten sich Gerichte bereits mit "Cyber Mobbing" befassen. Doch hat man bedacht, welches Klima sich zwischen Klagsdrohungen, Prozessen und Vorstrafen in den Schulen entwickelt? Wenn Eltern, Lehrern, Gesetzgebern und Internetbetreibern nichts dazu einfällt, wird es bald ein neues Schul-Spiel geben: "Justice Mobbing" - das Hinausklagen lästiger Schüler.