Wien. Europas Außenminister wollen spätestens bis 2009 Klarheit über die künftige Rechtsgrundlage der EU. Das ist das Ergebnis des EU-Sondertreffens dieses Wochenende in Klosterneuburg, dem Österreichs Außenministerin Ursula Plassnik (V) als EU-Ratsvorsitzende vorstand: "Das Verfassungsprojekt wird als europäisches Projekt weiter verfolgt." Es gebe wieder Schwung in der Zukunftsdebatte, die "Gewitterwolken des Vorjahres (negative EU-Abstimmungen in Frankreich und den Niederlanden, Anm.)verziehen sich schön langsam", meinte Plassnik.
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Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft soll bis Mitte 2007 "tragfähige Vorschläge" zum weiteren Umgang mit der Verfassung vorlegen. "Für eine definitive Lösung ist die Zeit noch nicht da", betonte die EU-Ratsvorsitzende. Niemand wolle aber die Nachdenkpause für die EU-Verfassung auf unbestimmte Zeit verlängern. Plassnik verwies auf die anstehenden Europawahlen 2009, die eine Klärung der Rechtsgrundlage für die EU erforderlich machten.
Etwas vorsichtiger will Frankreich in die Zukunft schauen: Die französische Europaministerin Catherine Colonna ließ verlauten, das die nach dem Nein der Franzosen und Niederländer eingeleitete Reflexionsphase "ohne fixes Datum" weitergehe - nach Klosterneuburg beginne aber eine Phase der "aktiven Reflexion".
Kritisch äusserte sich auch der slowenische Außenminister Dimitrij Rupel: Nicht einmal die Hälfte der Mitgliedstaaten sei für eine Beibehaltung der EU-Verfassung in unveränderter Form, sagte er nach dem zweitägigen Sondertreffen der EU-Chefdiplomaten. "Ich würde nicht sagen, dass eine Mehrheit meiner Kollegen für einen Erhalt waren, überall gab es ein Wenn", zog Rupel eine pessimistische Bilanz. Er fürchte, dass nun die Debatte über symbolträchtige Fragen wie die Machtverteilung in den EU-Institutionen wieder ausbrechen werde - eine Debatte, die Frankreich durchaus für fruchtbar hält.
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso schloss nicht aus, dass die EU-Verfassung in Zukunft umbenannt wird: "Ich nehme an, dass sich diese Frage stellen wird." Wie auch Plassnik betonte er jedoch, dass darüber in Klosterneuburg nicht gesprochen worden sei. "Was mir das Wichtigste ist, ist der Inhalt", antwortete die Außenministerin auf entsprechende Fragen. "Wir können derzeit nicht sagen, dass es unter den Mitgliedstaaten völlige Übereinstimmung gibt", sagte Barroso in Hinblick auf die Zukunft des Verfassungsvertrages.
Für den Gipfel im Juni erwartet sich Plassnik, dass die im März in Salzburg bekräftigte Beitrittsperspektive für die Westbalkan-Staaten aufgegriffen wird: "Der österreichische Balkan-Ansatz hat sich bestätigt." Nach Angaben von Diplomaten soll der Gipfel auch auf die EU-Aufnahmefähigkeit als ein bereits bestehendes Kriterium für künftige Erweiterungen hinweisen. Barroso sagte zu, die Kommission werde noch im Laufe des Jahres dazu einen Bericht vorlegen.
Wie die Außenministerin weiters erklärte, sollte parallel zur Verfassungsdebatte "das Europa der Resultate, der konkreten Ergebnisse, der Projekte" fortgesetzt werden. Die Diskussion, ob und wie die Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres verstärkt werden soll, sei in Klosterneuburg offen verlaufen. "Wir werden im Juni wahrscheinlich keinen Riesensprung machen", bemerkte Plassnik dazu. Barroso räumte ein, dass Deutschland mit dem Vorschlag einer völligen Vergemeinschaftung der Justiz- und Innenpolitik (Aufgabe des nationalen Vetos, Mitbeteiligung des Europaparlaments) "offenbar einige Probleme hat". Diese in der Verfassung vorgesehene intensivere Zusammenarbeit vorzuziehen, wäre aber "sinnvoll".