Sebastian Kurz eröffnet den Wahlkampf mit einer nicht so neuen Forderung: Die Abgabenquote soll sinken.
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Wien/Obersdorf. Er wolle "seinem Stil treubleiben", ist ein oftgehörter Satz des designierten neuen ÖVP-Chefs. Bevor er etwas fordere, suche er das Gespräch mit Experten, Praktikern und Betroffenen, sagt Sebastian Kurz. Für den Auftakt seiner "Österreich Gespräche" am Dienstag traf sich der Außen- und Integrationsminister, mit einer ausgesuchten Runde aus klein- und mittelständischen Gewerbetreibenden. Im Tischlereibetrieb von Franz Helmer in Obersdorf im Waldviertel gaben der dortige Chef, ein Wirt aus dem Nachbarort, die Inhaberin einer Fahrschule, ein Fotograf, ein Werber, der Betreiber einer Autowerkstatt, ein Optiker und ein Biobäcker dem ÖVP-Hoffnungsträger ihre Sorgen und Anliegen mit auf den Weg.
Was genau, blieb den anwesenden Journalisten größtenteils verborgen - das erste "Österreich Gespräch" war nicht medienöffentlich. Steuersenkungen, Sozialstaat und der Umbau des Fördersystems, mit denen Kurz nun in den Wahlkampf einsteigt, seien nicht wirklich Gesprächsthemen gewesen, sagt einer der Teilnehmer. Viel eher sei es darum gegangen, was die Gewerbetreibenden beschäftigt: 20 Stunden in der Woche sei er mit Büroarbeit beschäftigt, sagt der Wirt. Sie brauche mehr Arbeitszeitflexibilität, um sich besser auf ihre Kunden einzustellen, sagt die Fahrschul-Besitzerin. Der Tischler will, dass der Staat die Berufsschule übernimmt, anstatt Förderungen zu zahlen. "An Schikane grenzende" Auflagen und Regulierungen sind allen Anwesenden ein Dorn im Auge.
Klassische ÖVP-Forderung
Viel lieber spricht Sebastian Kurz aber über seine neuen Wahlkampfthemen: Standortpolitik, Sozialsysteme und Migration. Kurz will die Steuer- und Abgabenquote auf 40 Prozent senken (siehe Grafik). In den 70er Jahren habe Österreich eine viel niedrigere Abgabenquote aufgewiesen, diese sei schneller gestiegen als die Löhne und Gehälter. "Wo ist das Ende dieser Entwicklung?", fragt Kurz.
Neu ist die Forderung freilich nicht. Seit 2001 fordert die ÖVP die Senkung der Abgabenquote, die damalige schwarz-blaue Regierung nannte eine Senkung auf unter 40 Prozent bis 2010 als Ziel. Senken will Kurz zudem auch die Gebühren für Abfall und Wasser. In Wien seien diese in den letzten zehn Jahren um die Hälfte gestiegen. "Ein Mechaniker muss in Wien neun Stunden arbeiten, um sich eine Arbeitsstunde eines Installateurs leisten zu können", rechnet Kurz vor. Es müsse in Österreich wieder möglich sein, Eigentum zu erwerben: "Der Unterschied zwischen brutto und netto ist nur in Belgien noch größer." Der Staat verlange hohe Steuern, die er dann in Form von Förderungen wieder an die Steuerzahler zurückführen würde. Dazwischen gehe viel verloren, sagt Kurz. Um insgesamt 12 bis 14 Milliarden Euro will er die Steuern und Abgaben senken. Wie genau das zuwege gebracht werden soll, lässt Kurz aber mehr oder weniger offen.
Die Zuwanderung ins Sozialsystem müsse gestoppt werden, sagt Kurz. Schon jetzt sei jeder zweiter Mindestsicherungs-Bezieher in Wien ausländischer Staatsbürger. Ein ausgebauter Sozialstaat "kann nicht die Probleme der ganzen Welt lösen"; zitiert Kurz den Integrationsexperten Kenan Güngör. Und schließlich seien die Menschen in Deutschland oder in der Schweiz auch nicht schlechter versorgt als in Österreich. Den heimischen Sozialstaat müsse man auf seine Treffsicherheit überprüfen, fordert Kurz. So soll - wie Kurz bereits seit Langem fordert - die Familienbeihilfe für Kinder im EU-Ausland indexiert, also an das jeweilige Einkommensniveau angepasst werden. Faktisch entspricht das einer Kürzung, der Effekt aber würde überschaubar bleiben: Nur rund 100 Millionen Euro würden so eingespart werden, hat Familienministerin Sophie Karmasin errechnet.
Konzept folgt im September
Punkto Mindestsicherung und Zuwanderung ist das Einsparungspotenzial allerdings ebenso endenwollend: 626 Millionen Euro beträgt das Volumen in Wien, österreichweit werden 1,4 Milliarden Euro für die Mindestsicherung ausgegeben. Und sonst? Kurz will über Förderungen von muslimischen Kindergärten reden, zudem gebe es "E-Cards, wo wir nicht wissen, wem sie gehören". Und: Unser Sozialsystem würden auch arbeitslos gewordene Menschen aus dem EU-Ausland geradezu einladen, hier zu bleiben und um Mindestsicherung anzusuchen, anstatt weiterzuziehen und anderswo in Europa nach Arbeit zu suchen, ist Kurz sich sicher. Ein konkretes Einsparungsziel solcher Maßnahmen will Kurz noch nicht nennen und verweist auf kommende Expertengespräche. Anfang September will er sein fertiges Konzept präsentieren.
Schon etwas mehr soll laut Kurz bei den Förderungen herausschauen. Hier habe der Rechnungshof bereits entsprechende Konzepte vorgelegt, auf die es zurückzugreifen gelte. "In Österreich herrscht die Grunddenke vor, dass alles gefördert werden muss." Eine "Entrümpelung" würde laut Kurz "einen ordentlichen Milliardenbetrag" an Einsparungen bringen, die Rede ist von vier bis fünf Milliarden Euro.
Steuern und Abgaben für Arbeitnehmer und Arbeitgeber senken, Sozialstaat für Ausländer beschränken - die ersten Wahlkampftöne von Kurz erinnern stark an Positionen der FPÖ. Das nächste "Österreich Gespräch" wird in Wien stattfinden. Thema: Soziales.